Der Augenblick der Liebe
und räkeln, der hiesige Mann. Auf jeden Fall eine Vormachorgie, ein Täuschungs zirkus. Da träumt man unwillkürlich von etwas Gemein samem. Daß sich die beiden, was das Dabeisein angeht, nicht mehr von einander unterschieden, nicht mehr einer des anderen Besorger wäre, ein Gemeinsamkeitsgenuß eben. Gottlieb fand, daß er, wenn er so dachte, ihren für ihn tätigen Mund schon in einer verheißungsreichen Art erlebte. Irgendetwas mußte er ja denken, wenn sie sich so heftig mit ihm beschäftigte. Warum dann nicht etwas Schönes, Zukünftiges. Nachher beim Essen konnte er das ja zur Sprache bringen. Dann also die Vollendung, die wirkliche Kommunion, er würde es nachher Ausschüttung nennen. Schließlich war er auch ein Geschäftsmann. Und Aus schüttung ist ein Wort für geglückt Ergebnishaftes. So dachte er sich über den Höhepunkt hinweg. An der religiösen Sprachanleihe wollte er sich nicht beteiligen. Das bringt nichts. Dachte er. Ausschüttung. Basta.
Als sie merkte, daß er Mühe hatte, so hoch zu fliegen, wie sie flog, sagte sie: Bei einer Gefangenenbefreiung bestimmt der Befreier, was geschieht. Und als er nichts sagte, sagte sie noch: Auch wenn der Befreier eine Befreierin ist.
Er hätte beinahe wieder Danke gesagt. Aber er konnte nicht schon wieder Danke sagen. Also zog er sie heftig zu sich herauf, preßte, drückte und küßte sie, als sei er außer sich. Erst jetzt. Als begriffe er erst jetzt, was sie für ihn getan hatte. Sie hatte ES geschluckt. Sie schmeckte noch danach. Ja, da muß man doch außer sich sein. Wo denn sonst? In ihr, bitte. Dann sagte sie: In der letzten halben Stunde seien die Jahreszahlen überhaupt nicht mehr spürbar gewesen. Und als er nicht wußte, wie er darauf reagieren sollte, sagte sie: Das war jetzt frech, gell. Um sie vor weiterem Übermut zu bewahren, küßte er sie. Das konnte falsch sein. Dann fing er einfach von Rosa an. Die älteste Tochter, bald zehn Jahre älter als Beate, ja. Wieso jetzt Rosa, sagte Beate. Er habe gerade an sie denken müssen, sagte er, weil sie auch eine Abtreibung hinter sich habe. Das zog. Das wollte sie genauer wissen. Zuerst als komische Eröffnung: Max Stöckl, Kamera, Regie, Urbayer beziehungsweise viech. Wenn der da war und Gottlieb ging früher ins Bett und bat Rosa, daß sie nicht vergessen solle, nachher die Lichter zu löschen, sprang der auf, tanzte auf der Terrasse herum und brüllte: Genau wia mei Oidda. Auf jeden Versuch, anderer Meinung zu sein als er, lief Bayerisch ab. Sie senga jo dees net vu Ehnarem hiesigen Standpunkt aus, naa, wirkli, gengas zua, lossns Ehna des song, di Rosa, des Madl is z¹schood firs Studiern. Dann war sie schwanger, er benimmt sich so, daß Schluß sein muß, Rosa treibt ab, tritt über, studiert, heimlich, Theologie, meldet sich eines Tages als fertige Theologin, heiratet einen Pastor, ist Pastorin, beide in Ingolstadt, er schlägt sie manchmal, dafür verlangt er aber jedes Mal, daß sie ihn bestrafe. Daß der Pastor seine Rosa gelegentlich schlägt, kann Gottlieb ertragen, es sind eher Ringkämpfe als Schlägereien, und Rosa ist dem dünnen Pastor durchaus gewachsen, aber daß der, wenn er am Familientisch sitzt, nur mit vollem, nein, mit vollstem Mund spricht, breitestes Fränkisch, und Rosa bemerkt es nicht, das läßt Gottlieb manchmal einfach aufspringen und hinausrennen. Gottlieb kann Rosa von seinen Töchtern für die Versorgteste halten. Da muß man fränkisches Mampfen eben in Kauf nehmen. Rosa muß ja nicht ihren Mann ernähren, wie Julia, wie Regina. Daß
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