Der Augenblick der Liebe
ziemlich großen Lippen hingen auseinander, die Zähne zeigten sich, das wirkte in diesem Augenblick kühn. Mit dem Coach Service zum Hotel. Da war man, zum Glück, nicht allein.
Er hatte, zum Glück, bevor er das Zimmer verlassen hatte, die Vorhänge so weit zugezogen, daß ein Zwielicht entstand. Sie sehe bestimmt aus wie Wum, sagte sie. Er wußte nicht, wer Wum ist. Der Hund, den Loriot erfunden hat. Das haue sie doch glatt um, die ganze Welt kennt den melancholisch witzigdümmlichen LoriotHund. Vor lauter Verwunderung ließ sie sich auf das Bett fallen, schlüpfte dann aus den Schuhen, drehte sich und imitierte, auf dem Bett kniend, den Kopf in Schieflage, diesen Hund. Er hatte das Gefühl, er müsse Beifall klatschen. Und tat¹s. Sie sagte, sie sei Loriot Fan. Und fügte hinzu: Gewesen. Und produzierte gleich ein paar Figuren und Gesten und Witze, die sie zum Fan dieses ComicVirtuosen hatten werden lassen. Und unterstützte, was sie sagte und zitierte, durch Mimik und Gestik. War sie wirklich so hingerissen oder wollte sie ihm vorführen, wie hingerissen sie sein konnte? Er mußte Beifall spenden. Sie konnte ja noch ganze Sketche von dem auswendig. Es wurde ihre Show. Er setzte sich. Als Zuschauer. Dann sprang sie plötzlich vom Bett, schlüpfte aus ihrem Kleid, ließ es auf den Boden rutschen, und setzte sich auf ihn und umschlang ihn und küßte ihn. Da konnte er wieder mitmachen. Er mußte die sogenannte Initiative übernehmen. Sie mußte noch sagen, sie geniere sich nicht, zuzugeben, daß sie LoriotFan gewesen sei. Er tat so, als begriffe er nicht, wieso sich jemand genieren sollte, LoriotFan gewesen zu sein. Er sagte aber nicht, daß er das Wort Fan überhaupt nicht schätzen könne. Offenbar war er schon zu alt gewesen, als es zum ersten Mal bei ihm auftauchte; Scharen oder Massen meist junger Menschen strecken ihre Hände in die Höhe, immer einem oder einer Angebeteten entgegen, Augen und Münder gleichermaßen irre aufgerissen, Ekstase als Massenwahn, so hatte er das Wort Fan kennengelernt. Dieses kreischende Außersichsein blieb ihm fremd. Jetzt war sie also auch ein Fan gewesen. Er hatte das Gefühl, er müsse sie zurückküssen. Beim Küssen gewann er wieder Präsenz, das spürte er. Ihre Münder gingen in einander auf. Wie für immer. Es gab wirklich keinen Grund, das je zu beenden. Das waren auch schon längst keine zwei Münder mehr. Das war ein Drittes. Ein bei keinem von beiden so Vorkommendes. Das waren sie, beide, als Einzahl. Als ein Einziges. Aber da es noch andere Körper teile gab, die drankommen wollten, lagen sie dann doch im Bett. Da wollte er alles richtig machen. Je mehr sie davon haben würde, desto mehr hatte er davon. Er hielt es sogar für möglich, daß sie auch so dachte. Das hätte er als eine Minderung des Möglichen empfunden. Sie sollte nichts sein als eine, der es gut ging. Sie sollte nur sich empfinden. Natürlich durch ihn. Er mußte ihr möglichst unaufwendig verwehren, daß sie sich gleich mit dem Mund seiner be mächtige. So nah waren die Leiber einander noch nicht. Sie führte. Das konnte ihm nicht recht sein. Er übernahm. Wenn sie führte, lagen sie in zehn Minuten neben einander wie zwei abgebrannte Feuerwerkskörper. Das kann doch nicht der Sinn dieser quälend langsamen Annäherung gewesen sein. Sollten sie nicht zuerst einen Wörterabtausch durch spielen? Wie heißt bei dir das, wie nennst du das? Sie waren doch Sprachmenschen. Und schon der erste Versuch glückte. Er nannte, was er zur Verfügung stellte, Ding und fragte, wie sie sein Ding nenne. Und sie: Ding an sich. Schließlich seien
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