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Der Augenblick der Wahrheit

Titel: Der Augenblick der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Kloß im Magen.
    »Das ändert die Angelegenheit. Dann ist es mehr als Geschichtsschreibung, nicht wahr?«
    »Das ist es ja«, sagte ich und wartete auf seine Initiative. Ich verstand jetzt, daß er Charakter bewies und seine alte Rolle als Führungsoffizier eingenommen hatte, und ich war der Agent, den er führte. Ohne daß ich es bemerkt hätte, hatte er heimlich, still und leise meine Hand in einer Ermittlung geführt. Ich dachte, ich hätte es mir selber ausgesucht, aber an irgendeiner Stelle hatte er für mich gewählt. Als könnte er meine Gedanken lesen, sagte er: »Du hast die Schlußfolgerung selbst gezogen.
    Ich bin nur ein alter Mann mit einer gewissen Erfahrung. Aber es war deine Entscheidung.«
    »Und was sagt dir deine Erfahrung nun?« fragte ich.
    »Ruf die Frau in Kopenhagen an.«
    »Warum?«
    »Weil der Schlüssel womöglich in Berlin liegt, und sie kann dir den Zugang zu den Archiven in Berlin schneller verschaffen als ich. Paß auf dich auf, Pedro.«
    Er legte auf, als hätte er am Telefon bereits zuviel gesagt. Alte Angewohnheiten sterben nicht einfach so aus. Ich steckte eine Zigarette an und suchte die Nummern heraus, die mir Clara Hoffmann gegeben hatte. Es war Sonntag abend, aber ich rief sie trotzdem zu Hause an.
    Sie nahm ab, und ich sah sie deutlich vor mir, als ich ihre weiche, kultivierte Stimme hörte.
    »Hier Peter Lime. Ich ruf aus Madrid an.«
    »Guten Abend, Peter. Das ist aber eine freudige Überraschung.«
     
    »Zu Limes Foto habe ich was rausgefunden«, sagte ich.
    »Aha.«
    »Ich hab noch ein Foto gefunden, und ich hab einen Namen gefunden.«
    »Das hört sich interessant an.«
    »Aber ich finde, wir sollten darüber nicht am Telefon reden.
    Von Angesicht zu Angesicht ist es sicher leichter. Denn vielleicht brauche ich Hilfe.«
    »Ein Gefallen ist immer den anderen wert«, sagte sie. Im Hintergrund erklang leise Musik, und ich stellte sie mir in einem behaglichen Sessel mit einem Buch vor, während sie Musik hörte. Einen Augenblick lang wurde ich beim Gedanken an so viel häusliche Gemütlichkeit sentimental. Als sie in Madrid war, hatte sie ja keinen Ehering getragen, so daß ich mir vorstellte, sie wäre allein. Vielleicht hatte sie einen kleinen Drink oder eine Tasse Tee neben sich stehen. Das Wohnzimmer war sicher gemütlich. Dafür waren die dänischen Frauen bekannt, für häusliche Gemütlichkeit. Das Heim zu einem geborgenen, warmen und netten Ort zu machen. Die Dänen hielten sich einen so großen Teil des Jahres in ihren vier Wänden auf, daß sie ungeahnte Mengen an Kraft und Geld aufbrachten, um sich eine nette und angenehme Umgebung zu schaffen. Das Heim sollte eine sichere, uneinnehmbare Burg sein. Ich schüttelte den Gedanken ab. Die Zeit war endgültig vorbei. Ich durfte nicht wieder Wurzeln schlagen. Ich durfte nicht riskieren, einen solchen gewaltigen und schmerzhaften Verlust noch einmal zu erleben. Ich dachte an eine Zeile in einem alten Janis-Joplin-Lied: »Freedom’s just another word for nothing left to loose«.
    »Peter? Bist du noch da?« wiederholte sie offenbar. Hatten wir uns vorher geduzt?
    »Ja. Entschuldigung. Ich war einen Moment etwas zerstreut.
    Ich hab nicht gehört, was du gesagt hast.«
    »Ich habe gefragt, ob ich nach Madrid kommen soll?«
     
    »Nein. Ich komme morgen nach Kopenhagen, wenn ich ein Ticket kriege. Sonst übermorgen. Dann ruf ich an.«
    »Ich freue mich, dich zu sehen.«
    »Ich auch.«
    »Und dein Foto«, sagte sie.
    »Das ist eine andere Sache«, sagte ich und legte auf.
     
    15
    Im SAS-Flug um 15.15 Uhr ab Madrid mit Ankunft in Kopenhagen um 18.25 Uhr gab es noch mehr als genug Plätze.
    Daß es ein Nachmittagsflug war, kam mir gelegen, denn am Tag zuvor war ich total abgestürzt. Ich hatte noch eine halbe Stunde im Büro gesessen und Bier getrunken, dann war ich zum Hotel gegangen und hatte fast eine ganze Flasche Wodka geleert, die mir Carlos besorgt hatte. Ich hatte den Alkoholkonsum bislang gesteuert und glaubte in meiner Naivität, ich könne wie andere Menschen trinken, aber natürlich mußte das schiefgehen. Es waren ein Abend und eine Nacht voll Selbstverachtung, Sentimentalität und Ekel. Es war eine Nacht, in der es bloß gut war, daß ich keine Pistole hatte. Denn auf dem Höhepunkt meines Deliriums hatte ich keine Lust mehr zu leben, aber ich war zu betrunken, um in die Stadt zu gehen und eine Waffe zu organisieren, die allem ein Ende bereiten konnte. Außerdem wußte ich, daß ich doch keinen Mut hätte, wenn

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