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Der Augenblick der Wahrheit

Titel: Der Augenblick der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Tisch ziehen konnte. Es ist eine neue Version der alten Geschichte von des Kaisers neuen Kleidern, und der große Verlierer ist der dänische Steuerzahler.«
    Über seine letzten Worte hatte Klaus Pedersen Bilder gelegt.
    Sie zeigten Lola in einem rauschenden, tiefroten Kleid in Begleitung der Königin. Es mußten Bilder von der Eröffnung des Museums sein. Da sah ich auf einmal wieder die junge Lola in ihr, wie sie immer einen winzigen Schritt vor der Majestät, die im Vergleich zu ihr klein und seltsam falsch gekleidet wirkte, durch einen großen Raum schritt und sich im Goldenen Schnitt des Bildes plazierte. Als wenn die Königin ein etwas zu schäbiges Kleid für die große Begebenheit gewählt hätte. Sie war underdressed.
    »Gut gemacht, Lola«, sagte ich laut, rief die Rezeption an und ließ mir die Nummer der Redaktion heraussuchen.
    Die Zentrale wußte erst nicht, ob Klaus Pedersen schon gegangen war, informierte mich dann aber, daß er Spätdienst habe, und verband mich mit ihm.
    »Tag, Klaus. Hier ist Peter Lime.«
    »Peter! Darf nicht wahr sein! Das ist lange her. Wie geht’s dir?«
    Ich hörte die Fernsehnachrichten im Hintergrund. Die Wettervorhersage hatte angefangen.
    »Okay. Und dir?«
    »Ganz gut, du. Rufst du aus Madrid an?«
    »Nein. Ich bin in Kopenhagen. Ich habe eben deinen Bericht über Lola gesehen.«
    »Laila.«
     
    »Sie heißt nun mal Lola. Spannende Sache. Sie hat sie allesamt nach Strich und Faden verarscht, was?«
    »Und ob. Sie war auch supercharmant. Und wenn sie sie mit ihren großen blauen Augen angeguckt hat, sind die ganzen kleinen Sozis dahingeschmolzen. Dabei wollten sie doch so gern vorne mitmischen. Und haben ganz vergessen, ihre Zeugnisse zu prüfen. Die im übrigen überhaupt nicht existierten. Hast du sie gekannt, Peter?«
    »Ja.«
    »Unglaublich«, sagte er, und ich hörte den Neuigkeitenjäger aus seiner Stimme heraus.
    »Ich bin im Royal. Ich geb dir einen aus, dann erzähl ich dir von ihr.«
    Schweigen am anderen Ende des Hörers. Der Sommer gehe weiter, sagte der Wetterfrosch und lächelte.
    »Das ist nicht so gut, Peter. Ich hab versprochen, nach Haus zu kommen.«
    »Was hast du?«
    Das sah Klaus Pedersen nicht ähnlich. Früher war ihm seine Familie total egal gewesen. Er lebte und atmete für die Auslandsreportage und benutzte jede Gelegenheit, um rauszukommen und auf Kosten der Zeitung zu verreisen.
    »Ach so. Das weißt du natürlich nicht. Aber ich wurde vor ein paar Jahren geschieden und habe wieder geheiratet. Du weißt, eine etwas jüngere Ausführung. Da habe ich noch mal Nachwuchs gekriegt, und der Kleine hat Koliken und schreit wie am Spieß, und wenn ich nicht nach Haus komme und sie entlaste, dann ist die nächsten vierzehn Tage dicke Luft.«
    »Verstehe.«
    »Du weißt, wie das ist, nicht? Ich hatte in meinem Alter gar keinen Bock mehr auf Kinder, aber man kann sich nicht erlauben, nein zu sagen, wenn die neue Ehefrau gerne Familie haben will, oder?«
    »Nee.«
    »Deswegen habe ich auch mit dem Ausland aufgehört. Die ganze Reiserei hat schon die erste Ehe gekostet. Dann habe ich mich bei der Inlandsredaktion der Fernsehnachrichten beworben. Feste Zeiten und jeden Abend zu Hause. Ich hab auch nicht das Geld, mir noch eine Scheidung zu leisten.«
    »Völlig in Ordnung, Klaus. Es geht mich ja nichts an.«
    »Hast du keine Kinder?«
    »Nein«, sagte ich, »ich habe keine Kinder.«
    »Immer noch der alte einsame Wolf. Na. Also dann. Ich kann nun mal nicht, obwohl ich Lust hätte. Kannst du morgen nicht hierherkommen? Da hab ich auch Dienst.«
    »Abgemacht«, sagte ich.
    »Wenn du Zeit hast, komm gegen elf. Frag einfach beim Pförtner nach mir. Ach, nein. Den haben sie eingespart. Ruf an, kurz bevor du vom Royal losfährst, dann bin ich unten und mach auf.«
    »Alles klar. Und grüß deine neue Frau.«
    »Bis dann. War schön, von dir zu hören.«
    Ich schielte zur Minibar hinüber, rührte sie aber nicht an und machte statt dessen Liegestütze, bis mir Schultern und Rippen schmerzten. Ich las die Herald Tribune von den Nachrichten der ersten Seite über die Kommentare und den Sport bis zu »Calvin and Hobbes« und sah mir auf irgendeinem Satellitenkanal einen Spätfilm an, bis es mir endlich gelang, ein paar unruhige Stunden Schlaf zu finden. Ich wachte sehr früh auf und blieb im Bett und guckte Frühstücksfernsehen. Eine Reihe von Menschen kam in ein umgebautes Studio, das wie ein Wohnzimmer mit Büchern und Kochecke aussah. Die Leute plauderten fünf

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