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Der Augenblick der Wahrheit

Titel: Der Augenblick der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Finger von der Minibar, zappte durch die Programme und dachte an Bruce Springsteens »Fiftyseven channels and nothing on«, als ich in den Nachrichten plötzlich einen meiner alten Kollegen mit einem Beitrag über Lola sah. Das letzte Mal hatte ich ihn vor zehn Jahren gesehen, als er bei Jyllands-Posten arbeitete. Er hatte mich ein paarmal für Aufgaben in Madrid angeheuert, und einmal waren wir mit Polisario-Kämpfern hinter der Front in der Westsahara gewesen. Es war keine ganz ungefährliche Aufgabe, den widerstandsfähigen Beduinenguerilleros bei ihren Überraschungsangriffen gegen das marokkanische Heer zu folgen. Die Polisario kämpfte für die Unabhängigkeit des ehemaligen Spanisch-Sahara, seit zwanzig Jahren schon. Noch einer der vielen vergessenen, hoffnungslosen Kriege der Welt, aber mein Kollege hatte einige hervorragende Artikel geschrieben, und meine Fotos wurden gut plaziert. Oscar und Gloria waren stocksauer auf mich gewesen. Es gäbe keinen Grund, diese lebensgefährlichen Aufträge weiter anzunehmen, da doch nun das Geld für meine Paparazzifotos in den Kassen klingelte, aber ich wollte wenigstens ab und zu einmal
    »richtige« Bilder machen.
    Er hieß Klaus Pedersen und wirkte wie ein kompetenter Fernsehjournalist. Als er am Ende des Beitrags selbst im Bild auftauchte, sah ich, daß er natürlich genau wie ich älter geworden war. Ich hatte ein paar Haare verloren, seine waren ebenso dicht wie früher, dafür war er mindestens zehn Kilo schwerer als damals, als wir in den über den Sand flitzenden Landrovern durch die Wüste kreuzten, ohne je zu verstehen, wie sich die Krieger in dem riesigen leeren Wüstenmeer überhaupt orientieren konnten.
    Der Beitrag über Lola behandelte ihr spurloses Verschwinden.
    In den Nachrichten hieß sie Laila Petrowa, aber es war Lola, kein Zweifel. Sie nahmen den Fall wieder auf, weil Lolas Stellung als Direktorin des großen Kunstmuseums offenbar der Kulturministerin das Amt gekostet hatte. Nach Lolas Verschwinden hatten sie einen Kassensturz gemacht. Es fehlten 6,7 Millionen Kronen. Wieviel die kleine Lola davon hatte mitgehen lassen und wieviel einfach wegen chaotisch geführter Bücher futsch war, wurde nicht ganz klar. Kopenhagen war Kulturhauptstadt gewesen, und wie auch in Madrid hatten einige kreative Kräfte Kultur als das Recht verstanden, die Kassen der EU, des dänischen Staates und der Stadt Kopenhagen zu plündern. Die Sendung zeigte Bilder des neuen Museums für moderne internationale Kunst, das südlich von Kopenhagen errichtet worden war: ein großes grauweißes Gebäude, das einem gestrandeten Schiff glich. Man zeigte auch Lola, und Klaus Pedersen dokumentierte den Fall kurz und faktenreich.
    Die Leiterin, Laila Petrowa, mit hervorragenden Zeugnissen aus London und dem Moskauer Manegemuseum für Kunst, war verschwunden. Die Recherchen, unter anderem von Jyllands-Posten, hatten ergeben, daß sie keines der von ihr angegebenen Examenspapiere besaß. Weder an der Londoner Kunstakademie noch in Moskau hatte man je etwas von ihr gehört.
    Offensichtlich war sie aus einer Privatgalerie in London abgeworben worden. Die Kulturministerin kam ins Bild und gab Auskunft. Sie war von einem Wald von Mikrofonen und kleinen Aufnahmegeräten umgeben und sah aus, als wäre sie am liebsten woanders. Sie war eine verlebte Frau in meinem Alter, die sich mit zusammengepreßten Lippen damit zu verteidigen versuchte, ihre Beamten hätten Laila Petrowas Empfehlungen prüfen müssen, darüber hinaus gebe sie keine Kommentare. In diesem Fall aber sah es ausnahmsweise einmal so aus, als wäre es ihr nicht gelungen, den untergebenen Beamten den Schwarzen Peter zuzuschieben. Sie habe nichts dazu zu sagen, daß der Regierungschef sie von ihren Pflichten entbunden habe.
    Nein, sie wisse nicht, ob ihr ein anderer Posten zugedacht sei.
    Sie wolle sich über ihre Zukunft in der Politik Gedanken machen. Jedenfalls sei das alles nicht ihre Schuld.
    Dann kam Klaus Pedersen ins Bild: »Laila Petrowa wurde auf ausdrückliche Empfehlung der Kulturministerin angestellt, obwohl kein bedeutendes Mitglied der dänischen Kunstelite sie kannte. An höchster Stelle wurde es damals als mutige und visionäre Entscheidung bezeichnet, Laila Petrowa aus London zu holen, aber heute liegt alle Verantwortung auf den Schultern der Kulturministerin. Die heikle Affäre ist noch nicht beendet –
    die Geschichte, wie eine gutgekleidete, charmante Frau das versnobte politische System in Dänemark über den

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