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Der Augenblick der Wahrheit

Titel: Der Augenblick der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Zopf zurück und umklammerte meine Nase, während sich der Totschläger gemächlich wie in Zeitlupe mit dem Glas in der Hand erhob. Er kam näher, das Glas wuchs vor meinen Augen, mein Mund schnappte nach Luft. Schließlich beherrschte das Glas mit der schwappenden, golden-verlockenden Flüssigkeit mein ganzes Blickfeld. Ich konnte die Eichenfässer und das Malz und den Torf der Brennerei riechen. Es war guter irischer Malt. Verlockend und abscheulich auf einmal. Er flößte mir einen Schluck ein. Es schmeckte wie Feuer, und ich war kurz davor, mich zu übergeben, aber er wartete geduldig, bis ich wieder Luft bekam, dann schnitt sich der Rand des Glases wieder brennend in meine zerschlagenen Lippen. Das meiste lief mir das Kinn hinunter, aber die Wirkung der geringen Menge, die in meinen Mund geriet, merkte ich auf der Stelle. Trotz der Hustenanfälle, wenn sich die starken Tropfen auch auf die Lungen zubewegten, war es unmöglich, nicht zu schlucken. Jede Zelle meines Körpers schien zugleich zu jubeln und zu weinen, aber sie öffneten sich wie Blumen nach dem Regen und sogen den Alkohol in sich auf. Ein weißes, schönes Licht entstand in meinem Hirn, und die körperlichen Schmerzen wurden augenblicklich gelindert, als hätte ich einen Schuß Morphium erhalten.
    Seit fast acht Jahren hatte ich keinen Alkohol mehr angerührt.
    Vorher, da hatte ich zwanzig Jahre lang maßlos getrunken.
    Meistens konnte ich es steuern, aber es gab viele Tage in meinem Leben ohne jede Erinnerung, wenn ich tagelang auf einer meiner großen Touren im Alkoholnebel verschwunden war. Anfangs hatte Amelia es toleriert, obwohl es sie fast zu Tode erschreckt hatte, als sie mich das erste Mal ohne Erinnerung erlebte. Aber als Maria Luisa geboren wurde, stellte sie mich vor die Wahl. Sie beide – oder die Flasche. Sie liebte mich, aber sie wollte meinen langsamen Tod oder meine endgültige Selbstzerstörung nicht miterleben, und sie wollte nicht, daß unser Kind sie miterlebte. Oscar und Gloria hatten mein Problem nie mit einem Wort erwähnt. Wir lebten in einer Alkoholkultur, aber sie unterstützten Amelia. Zum ersten Mal erkannte ich in ihren Gesichtern, wie sie mich sahen. Es mutet so leicht an, von dieser Zeit zu schreiben, aber es war die Hölle.
    Es war einer der schwierigsten Entschlüsse meines Lebens, zu den Anonymen Alkoholikern zu gehen und mich langsam mit unwirklichen Schritten zwischen den Stuhlreihen zum Podium zu bewegen, mich zur Versammlung umzudrehen und zu sagen:
    »Guten Abend. Mein Name ist Peter. Ich bin Alkoholiker.« Es war eine harte Zeit, aber die Wahl fiel mir leicht, wenn ich Amelia und Maria Luisa anschaute. Das Karatestudio wurde meine Rettung, die Treffen bei den A. A. waren eine wichtige Stütze. Indem ich an die äußerste Grenze meiner körperlichen Kräfte ging, hielt ich den Teufel auf Abstand. Aber ich konnte nie an einer Bar vorbeigehen, ohne das lockende Rufen wie von einer Sirene zu hören, die mir Freude und Glück versprach, wenn ich ihr folgte und eintrat und mich ihr wieder auslieferte.
    Nur ein einziges Mal. Nur ein einziges Glas. Aber ich hatte das Bild meiner beiden Wunder vor meinem inneren Auge, und mit der Zeit wurde es leichter. Nach ihrem Tod war ich mehrmals wieder nahe dran gewesen, aber irgendwie spürte ich, daß mein Versprechen Amelia gegenüber ein noch größeres Gewicht hatte und noch mehr bedeutete, jetzt, wo sie nicht mehr waren.
    Er stellte das leere Glas vor mich hin und schenkte aufs neue ein. Er nickte, und sie ließen meine Arme und meine Nase los.
    »Trinken wir zusammen, Mr. Lime. Wie richtige Männer«, sagte der große Ire mit seinem seltsamen, beinahe komischen Akzent.
     
    Ich fegte das Glas auf den Boden, und es zersplitterte mit lautem Klirren, während der wunderbare Duft des Whiskeys die ganze Küche erfüllte.
    Aber der Schmerz wurde dadurch nur aufgeschoben. Er holte ein neues Glas, füllte es wieder, und die Prozedur wiederholte sich. Sie zwangen mir einige Schlucke mehr hinein. Mein Körper entspannte sich langsam. Nach der dritten Runde merkte ich, daß ich freiwillig zu schlucken anfing. Der ungewohnte starke Schnaps brannte mir im Rachen und im Bauch. Mein Körper hatte ihn nicht vergessen. Er nahm den Alkohol wie ein unerwartetes Geschenk entgegen. Er ging direkt in den Kopf, der leicht und luftig wurde, und das ersehnte, bekannte Gefühl von wohliger Schläfrigkeit und Entspannung fand sich ein, als wäre es gestern gewesen, daß ich mir in einer Bar una

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