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Der Augenblick der Wahrheit

Titel: Der Augenblick der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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du sprichst, Peter. Es ist nicht, wie du glaubst.«
    »Wie lange hab ich hier gelegen?«
    »Ein paar Stunden.«
    »Shit«, sagte ich.
    »Yes«, sagte Tómas und fuhr auf spanisch fort. »Sei froh, daß sich mein Vater entschlossen hatte, mit einem kranken Schaf runterzukommen. Sie hatten ihr Auto unten an der Kurve geparkt. Die Hunde waren unruhig, also kam er her und hat nach dir geguckt.«
    »Er hätte ja einfach nur dich fragen können. Du hast ja wahrscheinlich gewußt, was hier los war«, sagte ich.
    »Es ist nicht, wie du glaubst«, sagte er zum vierten Mal.
    »Wähl die Nummer noch mal«, sagte ich.
    Don Alfonzo war immer noch nicht zu erreichen. Dann half Tómas mir hoch und führte mich zum Küchentisch. Die Küche stank, aber es war saubergemacht worden. Einer der Hunde saß in der Türöffnung und folgte mir aufmerksam mit seinen gelben Augen. Er war wieder der gewohnte friedliche, etwas träge Kerl.
    Ich wußte nicht, wo Arregui war. Irgendwann hörte ich einen Pfiff, und der Hund verschwand aus der Tür.
    »Wo ist Arregui?« fragte ich, als Tómas mich auf einen Stuhl bugsiert hatte.
    »Er schafft Abfall beiseite«, sagte er mit einer Kälte und Gleichgültigkeit, die ich nie an ihm bemerkt hatte, aber ohne eine gewisse Portion Brutalität hätte er wohl nicht diese Rolle in der ETA innegehabt.
    Er stellte einen großen Becher schwarzen Kaffee vor mich hin.
    »Ich würde lieber einen Drink haben«, hörte ich mich sagen.
    »Später. Trink erst mal das.« Es klang wie ein Echo aus dem Alptraum.
    »Warum bist du an meinem Koffer interessiert, Tómas?
    Warum hast du mich nicht einfach gefragt? Warum hast du mir diese IRA-Schläger auf den Hals gehetzt? Ich dachte, wir wären Freunde.«
    Da klopfte mein alter Gefährte aus dem Reich des Suffs an die Tür, das Selbstmitleid, aber den wollte ich hier nicht wieder haben. Ich nahm einen Schluck des heißen, süßen Espresso. Ich war immer noch besoffen, aber ich wollte wenigstens ein wacher Trunkenbold sein.
    »Das war nicht die IRA«, sagte eine Stimme hinter mir. Es war ein jüngerer Mann. Er kam die Treppe zum ersten Stock herunter. Er mußte oben gestanden und gelauscht haben. Ich erkannte die Stimme wieder, es war der Mann von der Baustelle in Renteria. Er war nicht älter als fünfundzwanzig und hatte ein scharf geschnittenes, blasses Gesicht und einen Igelschnitt. Über einem grauen T-Shirt trug er eine schwarze, dünne Lederjacke.
    Seine Hände waren schmal und olivenfarben, und die Blässe deutete darauf hin, daß er sich häufig drinnen aufhielt.
    »Ach, du auch hier. Geht’s jetzt weiter? Nur jetzt auf spanisch?« sagte ich.
    »Tómas hat uns angerufen. Wir sorgen dafür, daß der eine Dreckskerl in den Bergen verschwindet. Er wird nicht vermißt werden. Die andern beiden kommen aus Euskadi nicht raus. Sie tragen die Spuren von Arregui und seinen Hunden. Was Arregui angeht, mußt du dir überlegen, was du den Bullen erzählst.«
     
    »Ich hab auch nicht vorgehabt, mit der Polizei zu reden. Wen hat Arregui getötet?« fragte ich.
    »Sie hatten keine Papiere bei sich. Er war blond. Stört dich das?«
    »Ich hoffe, er verfault in der Hölle. Ich hatte nur gehofft, es sei ein anderer«, sagte ich und dachte an den großen Iren mit dem Totschläger. Aber eigentlich war ich überrascht, daß ich absolut nichts fühlte, obwohl ein Mensch sein Leben verloren hatte. Nur Enttäuschung, daß es nicht alle drei erwischt hatte. Die Zivilisation überzieht uns alle wie eine Lackschicht. Meist ist sie dick, aber wird man lange genug bedrängt, schält sie sich ab, und die nackte Aggressivität zeigt ihr böses Antlitz.
    Er kam die Treppe herunter, setzte sich an den Tisch und nahm die kleine Tasse Kaffee, die ihm Tómas reichte. Er lehnte sich über den Tisch und sagte eindringlich: »Peter Lime, ich habe es schon einmal gesagt. Ich wiederhole es gern. Wir haben mit dem Tod Ihrer Familie nichts zu tun. Absolut nichts. Wir haben auch nichts mit diesen drei Iren hier zu tun. Das war nicht die IRA.
    Ich darf Ihnen nicht sagen, woher ich meine Informationen habe.
    Aber sie gehören nicht zum republikanischen Heer. Das sind Freischaffende. Wir kennen sie. Sie sind schon in Euskadi aufgetreten und haben uns vorgegaukelt, sie wären IRAKämpfer, aber es sind ganz gemeine Verbrecher. Killer. Ihre Pistolen und Fäuste kann jeder kaufen, der mitbietet. So, Señor Lime. Was ist das für ein Koffer, von dem Sie da reden? Ich weiß es nicht. Aber Sie wissen es, Sie sollten

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