Der Augenblick der Wahrheit
für jeden Reporter.
Don Felipe sagte: »Die PCE wurde sorgsam überwacht, aber es waren die Amerikaner, die Viktor für uns fanden. Er spricht fließend Spanisch und Englisch. Er war die erste Kontaktperson des KGB zur PCE.«
»Gut«, sagte ich. »Wer ist der andere?«
»Haben Sie Nachsicht mit einem alten Mann«, sagte er.
»PCE – Partido Communista de Espana. Viele ihrer führenden Funktionäre lebten in Frankreich oder Moskau, aber in den Siebzigern gab es eine neue Generation, die die Partei in Spanien wiederaufbauen wollte. An den Universitäten wie in den Gewerkschaften war die KP ungeheuer aktiv und stark, und uns fehlte teilweise der Zugang zu ihrem Apparat im Untergrund, da den neuen jungen Kommunisten schwer beizukommen war. Aber wir wußten, daß Moskau natürlich versuchte, einerseits durch Agenten, andererseits über die Finanzierung der Partei Kontrolle und Einfluß zu behalten. Ich kann mich ausgezeichnet an die Zeit erinnern. Es war eine hektische Phase. Spanien befand sich in einer revolutionären Situation. Viele ausländische Agenten operierten auf spanischem Boden. Unsere eigenen Revolutionäre witterten Morgenluft, aber viele Linke fanden es nicht gerade großartig, Francos Regime durch einen Sowjetkommunismus zu ersetzen.
Dies wiederum bereitete Moskau Sorgen. Das ist der notwendige Hintergrund, damit Sie die Abschrift verstehen.«
»Gut«, sagte ich nur und wartete geduldig ab. Wir nahmen einen Schluck Kognak. Es schnurrte ein wenig in den Fingerspitzen, und ich merkte, wie der Alkohol beruhigte.
Don Felipe fuhr fort: »Wir behielten Viktor im Auge und überwachten ihn. Wir haben natürlich eng mit den Amerikanern zusammengearbeitet. Waren wir nicht ein Bollwerk gegen den Kommunismus? Haben wir den Amerikanern nicht erlaubt, Stützpunkte zu errichten? Wenn es um den Kampf gegen den Bolschewismus ging, waren die Amerikaner bereit, mit dem Teufel zu paktieren. Die andere Person des Gesprächs kennen wir hingegen nicht. Wir können heraushören, daß er deutscher Abstammung ist. Daß er aus der DDR kommt und Mitarbeiter der Staatssicherheit ist. Seine Aufgabe war es, die PCE zu infiltrieren. Wir wissen nicht genau, welche Funktion er hatte –
oder ob er Sie rekrutierte.«
Ich sah ihn verblüfft an. Das hatte ich nicht erwartet.
»Mich? Ich bin nie Mitglied einer Partei gewesen. Ich bin nie gefragt worden, weder von dem einen noch dem anderen.«
»Das ist heute sowieso egal. Aber Don Alfonzo meint, es sei von Bedeutung.«
»Ich habe zwar als Fotograf in der DDR gearbeitet, aber ich kenne niemanden und habe niemanden aus der DDR hier in Madrid gekannt.«
Natürlich kannte ich Oscar, aber er kam aus Hamburg und hatte, soweit ich wußte, nie seine Füße auf ostdeutschen Boden gesetzt, außer in ganz jungen Jahren mit einem Tagesvisum, um zu sehen, wie man auf der andern Seite lebte. Oscar empfand ich überhaupt nicht als deutsch, er hatte allem Deutschen längst abgeschworen und jahrelang unaufhörlich davon geredet, spanischer Staatsbürger zu werden, und pflegte mich zu verulken, weil ich meine dänische Staatsbürgerschaft nicht aufgeben wollte. Er sagte immer, wir wohnten und lebten gut in Spanien, dann sollten wir auch den Schritt machen und Staatsbürger der Nation werden, die uns gut behandelte. Ob ich Dänemark vielleicht etwas schulde?
Ich schaute Don Felipe fragend an, und nach einer Pause fuhr er fort: »Ich habe Freunde aus der Zeit. Kontakte. Einige sind noch aktiv, andere genießen wie ich die stillen Freuden des Rentnerdaseins. Ich weiß, daß der sowjetische Agent noch am Leben ist, aber er verließ den Geheimdienst, als die Sowjetunion zusammenbrach, und ist jetzt sogenannter Geschäftsmann in Moskau.«
»Mafia?«
»Er nennt sich Sicherheitsberater.«
An dem summenden Geräusch unten vor der Arena und der Musik und den Olé-Rufen von innen hörte ich, daß der junge Andalusier auch mit seinem zweiten Stier Glück hatte, und verstand, daß Don Felipe, oder wie er nun hieß, es so eingerichtet hatte, daß er die Arena gleichzeitig mit Tausenden von anderen Menschen verlassen konnte. Es war für ihn ein besonderer Vorteil, daß alles darauf hindeutete, daß die Leute mit dem Matador auf den Schultern aus dem Haupttor strömen würden, eine seltene Ehre – eine Ehre, die Chaos mit sich bringen und das Durcheinander total machen würde.
Er ließ El Pais liegen und stand auf, als wir den heftigen Applaus der Zuschauer hörten.
»Vielen Dank für das
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