Der Augenblick des Magiers
Eisenkugel, die es als nächstes aussuchte, war mit kurzen Spitzen besetzt. Es versuchte, Jon-Tom einen Hieb zu verpassen, während dieser unter ihm auf und ab hüpfte.
Jon-Tom drückte mit dem Daumen auf den verborgenen Auslöser an seinem Stab, und das Rammholz wurde plötzlich durch zwanzig Zentimeter hervorschießenden Stahls verlängert. Mit einem rasanten Stoß durchbohrte er die Kehle des Opossums. Der Gegner sah sehr überrascht aus, blieb noch einen Augenblick hängen und stürzte dann wie ein Stein in die Tiefe.
Die Otter kämpften vorzüglich, doch so viele Soldaten sie auch niederstrecken mochten, ständig wurden diese durch neue Kräfte ersetzt. Inzwischen mußte der gesamte Komplex schon alarmiert worden sein, dachte Jon-Tom grimmig.
Doch es war Memaw, die schließlich ein Einstellen der Kampfhandlungen befahl, als sie die zusammengekrümmte Gestalt des armen Norgil erblickte, der schlaff am Boden lag. Der Otter hatte ein halbes Dutzend Schwerthiebe abbekommen und war am Verbluten. Schon jetzt war der feste Halt gefährdet, weil der Boden voller Blut war. Das würde den Ottern endgültig ihren Hauptvorteil rauben: ihre Schnelligkeit.
Also hob Memaw ihr Schwert und sagte: »Genug. Wir ergeben uns.«
»Uns ergeben? Was 'eißt das, uns ergeben?« fragte Quorly keuchend. Ihre elegante Kleidung war zwar von Schwerthieben zerfetzt, doch ansonsten schien sie unversehrt zu sein.
»Nein, Memaw 'at schon recht.« Knorckel schleuderte sein Schwert beiseite. »Ist nämlich besser, im Gefängnis Kraft und Schläue zu sammeln, als 'ier niedergemetzelt zu werden.«
Die Wachen schritten zwischen ihnen hindurch, sammelten Dolche und Krummsäbel ein und durchsuchten alle forsch nach verborgenen Waffen. Jon-Tom betete inbrünstig darum, daß sie ihm seine Duar lassen würden, doch die wurde ebenfalls konfisziert, zusammen mit seinem Rucksack.
Als dies erledigt war, schob sich ein Jaguar mit gewaltigen Muskeln nach vorn. Seine Lederrüstung hing, von Schwerthieben zerfetzt, in Streifen herunter.
»Erklärt uns dieses empörende Eindringen!« knurrte er.
Jon-Tom trat vor und knurrte zurück: »Empörend ist wirklich das richtige Wort! Da kommen wir hier pünktlich, wie verabredet, zum Termin, und anstatt uns höflich zu empfangen, greift man uns brutal an. Was sind das überhaupt für sogenannte Soldaten hier? Nichts als Mörder und Halsabschneider!«
Die Augen des Jaguars verengten sich, und er strich sich über das Kinn. »Ein Termin, sagst du? Mit wem denn?«
»Mit Markus dem Unvermeidlichen«, erwiderte Jon-Tom herausfordernd. »Und der wird ziemlich sauer sein, wenn er erfährt, wie man uns behandelt hat.«
»Markus, sagst du?« Der Offizier schob sich den Helm von den Ohren. Er wirkte müde. »Ich nehme an, als nächstes wirst du behaupten, daß das alles ein Riesenmißverständnis ist, das sich sofort klären wird, sobald ich euch zum Berater geführt habe, wie?«
»Selbstverständlich«, erwiderte Jon-Tom ungerührt.
Der Jaguar überlegte. »Der Meister schläft und wünscht nicht gestört zu werden. Das wirft einen gewissen Schatten auf deine Behauptung, großer Menschenmann. Es könnte sein, daß der einzige Termin, den ihr tatsächlich wahrnehmen werdet, eine Verabredung in der Kammer öffentlicher Qualen ist... aber das habe nicht ich zu entscheiden. Das wird der Große Markus schon tun.«
»Soll uns recht sein. Wenn du uns jetzt zu ihm führen würdest... Ich nehme an, daß er den Termin heute abend völlig vergessen hat. Er wird die Angelegenheit schon sehr schnell aufklären.« Jon-Tom warf den Soldaten, die im Pulk hinter dem Offizier standen, einen Blick zu. »Wenn er erfährt, was passiert ist, werden einige Köpfe rollen.«
»Die lasse ich lieber selber rollen«, erwiderte der Jaguar kühl.
»Und da wir schon beim Thema sind: Manche von ihnen rollen eine Weile lang ganz allerliebst, während andere einfach nur platzen. Ich frage mich, was deiner wohl tun wird.«
Jon-Tom wurde etwas weich in den Knien, doch er ließ es sich nicht anmerken. »Warum fragst du nicht Markus?«
»Ja, warum eigentlich nicht?« erwiderte der Offizier zu seiner Überraschung. »Wie ich schon sagte, nur er weiß, ob ihr die Wahrheit sagt. Wenn ihr die Güte hättet, mir zu folgen?« Er winkte mit einer Tatze.
»Das klingt schon besser.« Selbstsicher schritt Jon-Tom an dem Jaguar vorbei und warf den Wachen weiterhin drohende Blicke zu.
Sie schritten mehrere Ebenen in die Tiefe hinunter, bis die Luft dick und
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