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Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition)

Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition)

Titel: Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Goettle
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der Medizin des 19. und 20. Jahrhunderts.«, Dresdener Beitr. z. Gesch. d. Technikwissenschaften 29 (ersch. 2005). Ihre Forschungsschwerpunkte sind: Medizin d. Antike u. d. Mittelalters, Medizin i. kulturellen Kontext, Medizin u. Literatur, Frauen- u. Geschlechterforschung, Ethik i. d. Medizin. Ortrun Riha wurde 1959 in Schweinfurt geboren, ihr Vater war Gymnasiallehrer, ihre Mutter Hausfrau; sie ist verheiratet u. hat keine Kinder.
    Aussatz, Pest, Cholera, Syphilis, Pocken, Tuberkulose, Spanische Grippe, Diphterie, Aids und ansteckende Tierseuchen wie BSE und Vogelgrippe usw. bedrohten und bedrohen die Menschheit. Kehren die Seuchen zurück? Mitten in unserem hygienisch unbedenklichen und durchgeimpften Europa werden wir zunehmend konfrontiert mit Schreckensszenarien, in denen sich antibiotikaresistente Krankheitserreger ausbreiten oder eine neue, weltweit grassierende Seuche unausweichlich bevorsteht. Unter den etwa 1500 Mikroben, die den menschlichen Organismus befallen können, ist der Influenza-Virus einer der gefährlichsten. Wird der Vogelgrippe-Virus weiter mutieren? In Deutschland war der erste Unglücksbote mit der gefährlichen asiatischen Variante H5N1 ein toter Singschwan an der Ostseeküste.
    Gegen eine plötzliche Verwandlung einer gesunden und friedlichen Bevölkerung in eine hochinfektiöse und todkranke ist, trotz aller Krisenpläne, keine moderne Gesellschaft gewappnet. Die Wirtschaftsanalysten wissen das besser als die Politiker. Sie haben bereits das verlustreiche Seuchendesaster durchgerechnet, das Kollabieren von Handel und Börsen sowie den Profit, der durch Medikamente, Impfstoff, Reinigungschemie, Gesundheitswesen und Unterhaltungsentertainment zu erzielen ist. Zur Zeit der Vogelgrippe lief im amerikanischen Fernsehen ein Vogelgrippe-Pandemie-Thriller. Millionen Zuschauer waren geschockt. Das Gesundheitsministerium richtete Hotlines mit speziellen Sprachregelungen ein und suggerierte Kompetenz. Auch bei uns wurden zahllose Experten zur Gefahr einer Pandemie befragt, zuverlässige Antworten jedoch erwartete man vergebens. Die Manipulation der schwelenden Ängste für den ökonomischen Zweck schien weit umfangreicher zu grassieren als der Virus selbst. Milliardenumsätze machte die US-Firma Gilead Sciences (deren Mehrheitsaktionär Donald Rumsfeld ist) mit dem Medikament Tamiflu, und in Europa verdient die Firma Hoffmann-La Roche damit Unsummen.
    Von Frau Prof. Riha möchten wir erfahren, wie die bereits einmal ausgebrochenen Seuchen sich niedergeschlagen haben. Ihr Institut für Geschichte der Medizin befindet sich im ehemaligen Hauptgebäude der Uni Leipzig, am Augustaplatz, zu Füßen des ehemaligen Wahrzeichens der Alma mater, dem Uni-Hochhaus (das, nebenbei bemerkt, verkauft wurde). Unter einem tonnenschweren, klobigen Karl-Marx-Relief aus Bronze, das von rostenden Stahlträgern gestützt wird, muß man hindurchgehen, ganz gleich, ob man nun fürchtet, von dem Koloß erschlagen zu werden oder nicht. Man betritt eine große Eingangshalle, die in der nüchternen Eleganz der 70er Jahre erglänzt. In der gläsernen Loge sitzt eine Pförtnerin und gibt Auskunft, mit gelegentlichem Knarren gleiten die Paternoster auf und ab. Nicht mehr lange. Zum 700jährigen Bestehen der Uni, im Jahr 2009, soll hier ein neues Universitätsgebäude stehen. Bis dahin befindet sich das Institut in den Räumen der ehemaligen Parteileitung, mit Blick auf den Platz. Es ist das älteste medizinhistorische Institut Deutschlands – gerade ist 100jähriges Jubiläum. Karl Sudhoff (1853–1938), der spätere Namensgeber, leitete das Institut bis 1925 und war auch der Begründer der Medizingeschichte als wissenschaftliche Disziplin. Frau Prof. Riha empfängt uns in ihrem minzgrün gestrichenen Arbeitszimmer. An der Wand hängt ein schwarz gerahmtes Ölgemälde, das einen freundlich blickenden untersetzten Herrn mit weißem Vollbart zeigt, einen Meter daneben steht derselbe Karl Sudhoff als weiße Marmorbüste mit abweisendem Gesichtsausdruck auf einem schönen alten Holzsockel. Im Bücherregal steht u. a. Sudhoffs Paracelsus-Ausgabe; die Lederrücken hat er schwungvoll selbst beschriftet. Sudhoff war ein passionierter Sammler; das Institut verfügt über eine bedeutende Bibliothek mit über 70000 Bänden und über eine medizinhistorische Sammlung, die 5000 Objekte umfaßt (beide magaziniert).
    Frau Prof. Riha ist es sehr recht, daß wir die Vogelgrippe nicht weiter berühren wollen: »Es ist quasi eine

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