Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition)
Berlin-Neukölln. 1953 Einschulung in Mühlacker/Baden-Würtemberg. 1966 Abitur in Düsseldorf. 1967/68 Studium d. Geschichte u. Soziologie a. d. Ruhruniversität, Bochum; 1971 Politologie a. Otto-Suhr-Institut, FU Berlin, Diplom in Politologie. 1971–1973 Pädagogische Hochschule, Berlin. Ehe und Mutterschaft, Arbeit als Übersetzerin. Seit 1981 Lehrerin in einem Bildungszentrum des IB (Internationaler Bund) in Neukölln. Privat beschäftigt sie sich seit Jahren m. d.Phänomen d. Legasthenie. Beruflich sind ihre Arbeitsschwerpunkte der berufsvorbereitende Unterricht in Deutsch, Sozialkunde, Rechnen u. Fachkunde (f. Büroberufe) und die Tätigkeit im Betriebsrat. Marianne Rubach wurde 1946 in Fallingbostel geboren, ihre Mutter war gelernte Buchhalterin u. Hausfrau, ihr Vater arbeitete als Betriebswirt u. Manager f. versch. große englische u. amerikanische Unternehmen. Sie ist geschieden u. hat zwei Kinder.
Die Bildungszentren des Internationalen Bundes, IB, bieten Berufsvorbereitung, Ausbildung und Qualifizierung für benachteiligte und arbeitslose Jugendliche und Erwachsene unter 25. Sogenannte Stützlehrer machen den begleitenden Unterricht und die Vorbereitung auf die externe Prüfung zum Hauptschulabschluß. Diesen Service bieten zahlreiche Bildungsträger, allein in Berlin an die dreihundert. Der IB ist aber auf Grund seiner Entstehungsgeschichte und Entwicklung etwas Besonderes. Er ist ein Produkt deutscher Geschichte. 1949 wurde in der Uni Tübingen der »Internationale Bund für Kultur- und Sozialarbeit« gegründet (die Kultur wurde 1952 gestrichen). Gründer waren u. a. der SPD-Politiker Carlo Schmid, zuständig für Justiz, Kultur, Erziehung und Kunst, der Präsident des Staatssekretariats der französisch besetzten Zone Württemberg-Hohenzollern sowie Henri Humblot, Franzose, Offizier, Kommunist und Leiter der Abteilung Jugend und Sport der französischen Militärregierung, und auch Heinrich Hartmann, Kunstmaler und Hauptabteilungsleiter in der Reichsjugendführung der Hitlerjugend (er stand als NS-Funktionsträger auf den Fahndungslisten der Alliierten). Ziel des IB waren die Umerziehung und Wiedereingliederung von herumirrenden Kriegsjugendlichen, Hitlerjungen und HJ-Führern durch Arbeitsdienst und Schulung. Wer sich freiwillig zur Teilnahme meldete, ersparte sich die Inhaftierung, wurde schneller entnazifiziert. Einige verblieben als Funktionäre im Bund. Hartmann war von 1945–2001 im Vorstand bzw. Kuratorium. Heute ist der IB einer der großen freien Täger für Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit in Deutschland, mit mehr als 700 Einrichtungen an 300 Orten; etwa 300000 deutsche und ausländische Jugendliche werden jährlich über ihn gefördert.
Marianne Rubach lebt am Paul-Lincke-Ufer in Kreuzberg. Sie bewohnt zwei große, übereinanderliegende und mit einer hölzernen Wendeltreppe verbundene Räume, mit Blick auf ihr kleines Gärtchen und den Hinterhof. Im unteren Raum, der mit einigen schönen Möbeln, Büchern und Bildern locker eingerichtet ist, den zwei gußeiserne Säulen gliedern, der zugleich Wohnzimmer, Eßzimmer und offene Küche ist, nehmen wir Platz am Eßtisch. Er ist gedeckt. »Ich dachte mir, daß Sie noch nicht gefrühstückt haben«, sagt Frau Rubach mit einladender Geste. Auf die Frage nach den ungewöhnlichen Säulen erklärt sie:
»Das war ehemals der Bauhof für die Luisenstadt, ungefähr bis 1920 lagen hier die ganzen Baumaterialien, die man dann per Schiff auf dem Landwehrkanal zur Luisenstadt brachte. Deshalb haben wir auch sehr stabile und tragfähige Decken und Böden im Haus. Später waren hier kleine Fabriken drin und eine Frauen-Badeanstalt. Zuletzt eine Kfz-Werkstatt.
Ja, und was mich nun betrifft und meine Arbeit als Lehrerin, ich habe 1981 damit angefangen, weil ich mehr Geld verdienen wollte, denn als Übersetzerin wurde das immer schlechter nach der Wende. Bis 1995 habe ich noch nebenher übersetzt, meine letzte Übersetzung war übrigens eine Fidel-Castro Biographie – er trat ja unlängst grade in den Ruhestand. Ich dachte damals, wenn ich es geschafft habe, einigen Autoren ein besseres Deutsch beizubringen, dann kann ich das ja auch bei jungen Menschen machen. Damals gab es ein Programm, das nannte sich ›Maßnahmen zur sozialen und beruflichen Eingliederung‹. Es war eine der Folgen des Lummer-Erlasses, der ja eine Verschärfung der Aufenthaltsbedingungen für Ausländer mit sich brachte. Türkische Kinder durften im Rahmen der
Weitere Kostenlose Bücher