Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition)
ein junges Mädel, gut gebaut. Das heißt, normale Frauenfigur, und da ›a weng Holz‹. Und wie ich mit dem Training angefangen hab’, da hat sie auf einmal aufgehört. Ich denk noch, was will die, weil, sie hat dauernd hergeschaut. Die sitzt auf ihrem Gerät und hat eine Dreiviertelstunde nur hergeschaut, zu mir und meinem Mann. Der ist ja auch Athlet – wir haben sogar mal gleich ausgeschaut er ist einmal mit 70 Kilo auf die Bühne, ich hatte damals auch 70 Kilo gehabt, und da haben wir von hinten gleich ausgeschaut, weil wir zusammen trainiert hatten.
Na, jedenfalls, das Mädel hat uns beobachtet, die ganze Zeit. Ganz komisch geschaut. Mein Mann hat gesagt: Du wärst schon lange gestorben, wenn Blicke töten könnten! Und wie ich dann fertig war mit dem Training, spricht sie mich an, vorn an der Theke: ›Sagens mal?! Wie kommt man zu solchen Muskeln? Was muß man da so alles nehmen?! Und ob ich mich weiblich fühle, meint sie zu mir. So richtig abfällig! Aber ich bin ja nicht verrückt, daß ich mich rechtfertige. Ich stelle Gegenfragen. Wie stellt sie sich denn Weiblichkeit vor? Darauf weiß sie nichts zu sagen, fragt mich aber, wie alt ich eigentlich bin. Ich sag, rechnen Sie halt nach, Baujahr 1961. Da hat sie zwei Minuten gebraucht und dann die Nase gerümpft. Und ich hab’ Konfektionsgröße 32/34, Taille unter 60, also zeigen Sie mir mal eine in dem Alter, die das hat!
Da hat sie nichts drauf zu sagen gewußt. Und ich hab’ ihr auch erklärt, was weiblich ist: Also, Weiblichkeit geht vom Kopf aus, von der Einstellung her, von den Bewegungen her, vom Ganzen her, wie man sich gibt. Wenn jetzt eine Oberweite hat und die Hosen hier unten, daß der Speck rausschaut, das heißt noch gar nichts, das heißt nicht, daß die Frau auch weiblich ist. Ob sie die Einstellung hat. Schaun Sie sich mal die Fußballerinnen an, wie die laufen, mit solchen Muskeln, was ist denn da weiblich?! Da war sie fertig und hat nichts mehr gesagt. Es ist doch wahr! Oder auch bei Ihnen, Entschuldigung, der Bart«, sie faßt mich freundlich ins Auge, »was hat denn das mit dem zu tun, das hat doch auch nichts mit männlich und weiblich zu tun?! Das ist eine Einstellungssache!« »Außerdem ein Damenbart!« sage ich, und wir lachen. »Ja eben«, sagt sie, »einer hat auch mal zu mir gesagt: ›An deinem Arsch, da holt man sich blaue Flecken. Was soll denn das, er meint, da hat er nichts zum Greifen! Hat er tatsächlich nicht, den würd ich nicht mal in meine Nähe lassen. Aber das geht nicht rein in diese Köpfe.«
Auf die Frage, ob sie schon einmal gewalttätig geworden ist, sagt sie energisch: »Nein, nein, nie! Die Kraft hätte ich schon, klar, aber das liegt mir nicht. Mir geht es ja um ganz was anderes, ich bin kein aggressiver, brutaler Mensch. Im Gegenteil! Mir geht es um den Wettkampf, um die Rangfolge, ich möchte die Beste sein. Und die bin ich ja auch. Wir können mal eben nebenan ins Büro gehen.«
Das kleine Büro beherbergt ihre Pokale. Groß und goldglänzend stehen sie auf ihren Marmorsockeln. »Das war eine besondere Serie, da darf nicht jeder teilnehmen, am Wettkampf um die Miss Universe. Der ist in England, das ist der berühmte Wettkampf, wo der Schwarzenegger damals Mister Universe wurde. Die Weltmeisterschaft hab’ ich danach gewonnen. Also, in USA oder so, da könnte ich mit dem, was ich kann und erreicht habe, richtig Kohle machen, ohne daß ich mich groß anstrengen müßte. In Deutschland kann man im Bodybuilding kein Geld verdienen.
Und die Sponsoren, die wollen das Mittelmaß, weil sich das am besten verkauft, weil sich jeder danach richten kann’ und sagen, na gut, so wie die ausschaut, das könnte ich auch schaffen, geh’ ich doch einfach in den Verein usw.« An der Wand hängen gut gemachte Bilder und Zeichnungen von Pferden. Von ihr selbst, sagt sie mit Stolz. Im Keller zeigt sie uns einen Ständer mit winzig kleiner Wettkampfbekleidung, den Posing-Bikinis. Wieder oben am Tisch sagt sie: »Ich wollte schon immer die Beste sein. Und überall auf der Bühne, wo ich starte, bin ich die Beste. Das ist einfach so. Die Leute denken immer, Bodybuilding ist eine Sparte. Es gibt aber so viele verschiedene Kategorien, und in jeder Teilkategorie gibt’s halt ›die Beste‹. Und, wie gesagt, die Rangordnung ist mir sehr wichtig, sonst würde ich das nicht machen. Ich starte ja für verschiedene Verbände. Ich mache immer solche Wettkämpfe aus, wo ich denke, daß es echt einen Reiz gibt. Der letzte in
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