Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition)
Tür und sagt: »Ja, z. B. Plüschtiere. Da ist der Bedarf anscheinend nicht so groß, oder auch bestimmte Bücher, die ewig nicht weggehen, Lehrbücher aus der DDR-Zeit etwa, auch manche Kleidungsstücke. Wir machen alle viertel oder halbes Jahr eine Revision, möchte ich fast sagen, und mustern dann aus, geben es an die Caritas oder in den Müll, wenn’s unbrauchbar ist. Den Nutzern sollen ja nützliche und brauchbare Dinge zur Auswahl stehen. Was am besten und schnellsten weggeht, das sind neben den elektrischen Geräten Kleidung und Textilien, also Tisch- und Bettwäsche, das geht gut weg. Auch Haushaltsgegenstände. Auch Geschirr geht gut weg, Musik auch; bei Kindersachen gibt es manchmal Pausen, aber dann kommen wieder Leute mit Kindern, gehen in die Spielecke und nehmen natürlich auch gerne was mit.« Wir bitten sie, einen ganz normalen Umsonstladen-Tag zu schildern. »Ja, also das ist so, ich kann ja nur von dem Tag erzählen, an dem ich da bin, und das ist freitags, aber es ist an anderen Tagen sicher ähnlich. Wir sind meist zwei bis drei Leute, anders ist es kaum zu schaffen, wir nehmen ja nicht nur die gebrachten Dinge entgegen, wir führen ja auch Gespräche, um das Anliegen rüberzubringen, um Mißverständnisse zu klären, oder einfach auch nur so, als freundlichen Austausch. Um 14 Uhr machen wir auf, der Bernd ist im Winter meistens schon etwas eher da, wegen der Heizerei, und wir, um Tee zu kochen, Kekse hinzustellen, ein bißchen was zu sortieren und zu ordnen. Wenn wir dann aufschließen, stehen oft schon Leute vor der Tür. Die Nutzer kommen rein und verteilen sich, je nach ihren Interessen. Es wird gebracht, es wird geholt, es ist ein Kommen und Gehen. Sagen wir mal, so etwa hundert Leute kommen im Laufe des Nachmittags herein, davon sind vielleicht fünfzehn Personen alte Bekannte, die fast jeden Freitag kommen. Der Altersdurchschnitt, würde ich mal sagen, liegt bei den Nutzern so zwischen dreißig bis fünfzig. Viele kommen paarweise und nicht einzeln, es kommen mal auch kleine Grüppchen, Freundinnen, Bekannte. Selten kommen Touristen. Es kommen oft auch Neugierige, die von uns gehört haben und sich das nur mal anschaun möchten, also gar nichts brauchen. Unter denen, die kommen, sind auch Ausländer – einige Aktive von uns können sehr gut Fremdsprachen, ich leider nicht. Na ja, und es kommen viele Studenten, viele Leute auch aus der Szene, aber auch eben Rentner und ganz normale Leute hier aus der Wohngegend. Und dann, wie ich schon erzählt habe, kommen auch Obdachlose und Alkoholiker, gehn nach hinten zur Kleidung und gucken, daß sie frische warme Sachen zum Anziehen finden. Manche tauschen ihren Mantel und hängen ihren alten auf den Bügel oder ziehen frische Schuhe an und wollen ihre dalassen – die Ansichten über das, was noch brauchbar oder tragbar ist, gehen ja sehr auseinander. Wir bitten sie dann eben, ihre alten Sachen mitzunehmen, denn wir haben hier keine Möglichkeit zur Reinigung oder zur Entsorgung. Und das sehen sie eigentlich auch ein, in der Regel, auch daß hier keine Wärmestube ist.
Unser Freitag ist ratzbatz vorbei. Um 18 Uhr schließen wir, das ist aber nicht so rigide, wenn noch viele Nutzer da sind, bleiben wir einfach noch ein bißchen offen. Und bevor wir gehen, räumen wir hier noch den Tisch ab, spülen das Geschirr, damit die, die am Montag kommen, es ordentlich vorfinden. Ach ja, dann ist freitags auch immer noch … wir haben so eine Food-Coop, und da kommen dann zwischendurch auch noch Leute und holen sich ihre Sachen ab. Also, das ist was Selbstorganisiertes; die bestellten Sachen sind verpackt in Kisten, das sind ›biologisch-dynamische‹ Lebensmittel. Die sind nicht umsonst, natürlich, die müssen von den Bestellern bezahlt werden, das Geld geht an die Erzeuger. Leider muß ich ja für die meisten Dinge im Leben bezahlen. Es gibt ja radikale aktive Leute, die in den Geschäften überal alles ›umsonst mitnehmen‹, also klauen, und das dann wieder auch anderen zur Verfügung stellen. Also, das ist eine Sache, die ich nicht bereit bin mitzutragen!
Aber ich habe unlängst eine andere Erfahrung gemacht: Als das bundesweite Umsonstladen-Treffen hier in Berlin war, hieß es, wir gehn ›containern‹, also Lebensmittel organisieren, die von den Geschäften weggeworfen werden. Das wollte ich miterleben. Es war das erste Mal in meinem Leben, und es war sehr aufregend. Für die anderen war das nichts Besonderes. Die jungen Leute sind in so
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