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Der Augensammler

Der Augensammler

Titel: Der Augensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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und bekam die wichtigen Informationen immer etwas früher als die anderen Reporter.
    Heute allerdings war sein ehemaliger Kollege einen Schritt zu weit gegangen.
    »Lass uns kein Spiel spielen, Alex. Sag mir die Wahrheit. Wieso bist du hier?« »Du weißt es doch.« »Sag es mir.«
    Zorbach seufzte. »Verdammt, ich hab den Polizeifunk abgehört.«
    »Verarsch mich nicht.« »Was ist denn nur los mit dir?«
    Stoya packte ihn fest am Arm. »Das frage ich dich. Sag mir endlich, was du hier spielst!«
    Alex erblasste. Sein Mundwinkel zuckte, und er versuchte sich halbherzig aus Stoyas Klammergriff zu befreien. »Quatsch doch keinen Scheiß, Mann. Ihr habt einen Eins-null-Siebener gemeldet.«
    Stoya schüttelte vehement den Kopf. »Erstens: Diesen Code benutzen wir nicht mehr. Und zweitens: Seit dem letzten Fund gibt es eine interne Anweisung, im Falle des Augensammlers nur noch über sichere Leitungen zu kommunizieren. Dank deiner Berichterstattung werden wir ohnehin schon in der Öffentlichkeit geschlachtet. Glaubst du wirklich, wir posaunen derart sensible Informationen jedem Hobbyfunker um die Ohren?« In der Ferne zog ein Donnergrollen auf, und der Himmel verdüsterte sich weiter.
    »Kein Scheiß?«, fragte Zorbach ungläubig und fuhr sich durch die nassen Haare.
    »Nein. Kein Scheißpolizeifunk. Wir haben nichts durchgegeben.« Stoya starrte ihn an, misstrauisch und wütend. »Jetzt lass die Spielchen, Alex, und sag mir die Wahrheit: Woher zum Teufel wusstest du so schnell, dass wir die Leiche hier gefunden haben?«

76. Kapitel
    (Noch 13 Stunden und 57 Minuten bis zum Ablauf des Ultimatums)
Alexander Zorbach (Ich)
    Es wird schlimmer«, sagte ich und ließ den Blick durch das Sprechzimmer wandern. »Jetzt höre ich schon Stimmen!«
    Wie schon bei meinem ersten Besuch fragte ich mich, wo das gesamte Geld blieb, das die zahlreichen Privatpatienten hier in die Klinik spülten. Mit den fleckigen Sandsteinmauern sah die psychiatrische Anstalt bereits von außen mitgenommen aus. Innen war das Krankenhaus noch renovierungsbedürftiger. Bei den bisherigen Besuchen hatte ich meinen Arzt in drei verschiedenen Behandlungsräumen getroffen, die sich nur in Größe und Verfärbung der Wasserflecken unterschieden, die sich von der Decke abwärts über die Wände bis zu dem blindpolierten Linoleumboden erstreckten.
    »Ich habe nicht so lange studiert wie Sie, Doktor Roth. Bis zu den posttraumatischen Störungen bin ich nicht mehr gekommen, daher frage ich Sie: Könnte es etwas damit zu tun haben?«
    Damit, dass ich vor sieben Jahren eine Frau erschossen habe?
    Der Oberarzt hinter dem Schreibtisch sah mich aufmerksam an und sagte nichts. Dr. Martin Roth war ein begnadeter Zuhörer, eine Eigenschaft, die ihn für den Beruf des Psychiaters prädestinierte. Zu meinem Erstaunen begann er sanft zu lächeln. Ich konnte mich nicht erinnern, dass er das während unserer Sitzungen schon jemals getan hätte. Und mir schien, dass er sich wahrlich einen unpassenden Zeitpunkt gesucht hatte, um damit anzufangen. Während ich auf dem Stuhl unruhig die Beine übereinanderschlug und mir eine Zigarette herbeisehnte, wurde sein Lächeln breiter, wodurch er noch jünger aussah als ohnehin schon. Bei unserem ersten Treffen hatte ich ihn für einen Studenten gehalten und nicht für den Experten, der vor einigen Jahren mit der Therapie des bundesweit bekannten Psychiaters Viktor Larenz in die Schlagzeilen meiner Zeitung gelangt war.
    Wie viele Menschen zuvor hatte ich ihn unterschätzt. Doch wenn man eine Koryphäe auf dem Gebiet schwer therapierbarer Persönlichkeitsstörungen erwartet, hat man wohl kaum das Bild eines Jugendlichen vor Augen: Roths Haut war faltenfrei, fast rosig, und das Weiß in seinen Augen strahlte heller als sein neues T-Shirt, das er unter einem eng anliegenden Polohemd trug. Einzig sein lichter Haaransatz und die großen Geheimratsecken gaben einen kleinen Hinweis auf sein fortgeschrittenes Alter.
    »Beruhigen Sie sich erst einmal«, sagte er schließlich und zog eine dünne Akte aus der Plexiglas-Ablage neben sich. »Es besteht kein Grund zur Sorge.« Kein Grund zur Sorge ?
    »Gestern erst höre ich Stimmen im Polizeifunk, die es in Wahrheit gar nicht gibt, und Sie sagen mir, ich soll mich nicht aufregen?«
    Er nickte und schlug die Akte auf. »Also schön, gehen wir es noch einmal durch. Nach dem Vorfall auf der Brücke begaben Sie sich in Behandlung. Damals litten Sie unter starken Wahrnehmungsstörungen.« Ich grunzte

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