Der Ausloeser
seine Tochter losgelassen, er, ihr eigener Vater! Natürlich hatte er seine Gründe gehabt, aber was tat das jetzt noch zur Sache? Cassies Leben stand auf dem Spiel, und sollte ihr etwas zustoßen, würde er …
Cassie. Ein Blick auf die Uhr. Den Anpfiff würde er verpassen, aber wenigstens hätte er sein Versprechen gehalten. Kurz entschlossen drehte er den Zündschlüssel herum und stieg aufs Gas.
Aber was wollte er bei dem Fußballspiel? Sich unter die anderen geschiedenen Väter mischen, seiner Tochter zujubeln und hoffen, dass alles glimpflich ausgehen würde? Dass Trish und ihr neuer Ehemann in der Lage wären, Cassie vor dem Psycho von nebenan zu beschützen?
Was, wenn Jenn und Mitch die Übergabe vermasselten? Oder doch zur Polizei gingen? Oder wenn Victor glaubte , sie wären zur Polizei gegangen?
Scheiße, scheiße, scheiße! Er drückte das Gaspedal durch und kurvte um einen Linienbus herum.
Alles hing an einem seidenen Faden. Cassie war in Sicherheit, solange Mitch keinen Fehler machte. Solange Victor nicht zu dem Schluss kam, dass sie ihn hintergehen wollten – oder dass eine kleine Rückversicherung unabdinglich wäre, wenn er auf Nummer sicher gehen wollte. Eben im Flur hatte Alex sich so sehr darauf konzentriert, Jenn zur Vernunft zu bringen, dass er überhaupt nicht begriffen hatte, wie prekär ihre Lage war: Jenn hatte einem Typen ins Gesicht gelogen, der sie ohne größere Schwierigkeiten ausfindig gemacht hatte, einem Typen, der Johnny Love eine Heidenangst einjagte. Das war nicht nur dumm, das war lebensmüde. Unverantwortlich. Mitch und Jenn pokerten um sein Leben. Um Cassies Leben.
Alex zog rechts an einem Coupé vorbei. Eine Hupe plärrte.
Worüber hatten sie neulich beim Brunch gesprochen? Ian hatte von einem seiner Spiele geredet, dem Gefangenen … irgendwas. Auf jeden Fall hatte er erklärt, dass es in einer solchen Situation letztendlich nicht um Vertrauen ging. Dass abstrakte Werte wie Vertrauen und Liebe und Moral in der Logik der Spieltheorie nichts zählten. In einer Welt, in der keine Handlung ohne Konsequenzen blieb, in der man sich nur zwischen dem größeren und dem kleineren Übel entscheiden konnte, lautete die beste Strategie: Verrate die Gegenseite, bevor sie dich verrät.
Mitch und Jenn, das glücklich verliebte Pärchen, hatten offenbar gut zugehört.
Doch das Schlimmste von allem war das Gefühl, absolut machtlos zu sein. Damals, als es nur um ihn und seine Freunde gegangen war, hatte er das Risiko bewusst auf sich genommen. Aber seine Tochter? Nein. Nein, das konnte er nicht zulassen.
Er musste sie beschützen. Er musste sicherstellen, dass ihr nichts zustoßen würde.
Er musste sie an einen Ort bringen, an dem ihr nichts zustoßen konnte .
Nachdem er das Koks die Toilette heruntergespült und seinen Plan geschmiedet hatte, wollte Ian sofort loslegen. Er musste etwas tun, irgendwas. Und Davis freute sich, von ihm zu hören, tatsächlich platzte er fast vor Begeisterung – doch fast im selben Atemzug erklärte er ihm, seine jüngste Tochter habe Geburtstag, die Feier sei schon in vollem Gange. »Ist ihr sechster Geburtstag. Zwanzig Freunde, ein Clown, das volle Programm.«
»Krass. Früher war es mit einer Torte aus dem Supermarkt getan. Und Kerzen, die nach dem Ausblasen wieder angehen.«
»Du sagst es, aber erzähl das mal meiner Frau. Heute ist so was Standard. Egal, was verschafft mir die Ehre?«
»Du erinnerst dich doch an Hudson-Pollum Biolabs.«
»Ist das dein Ernst? Ohne Hudson-Pollum könnten wir uns die Party gar nicht leisten. Und Janie könnte später nicht aufs College gehen.« Eine Pause. »Soll das heißen, du hast da wieder was an der Hand? Was Ähnliches?« Davis’ Gier war nicht zu überhören.
»Vielleicht. Wir sollten uns auf jeden Fall treffen.«
»Klar. Wie wär’s mit Montag? Ich lad dich zum Mittagessen ein.«
»So lang kann ich nicht warten.«
»Okay, dann frag mich jetzt, was auch immer du wissen willst.«
»Nicht am Telefon.« Jetzt war der falsche Moment. Davis stand in seinem gutbürgerlichen Wohnzimmer, da konnte Ian nicht davon anfangen. Aber in einer Kneipe, nach ein paar Drinks, sollte es kein Problem sein. Er musste ihm das Ganze nur richtig verkaufen. »Versteh mich nicht falsch, aber ich würde die Sache lieber unter vier Augen besprechen.«
»Also geht es um … Äh …«
»Nein, nein, ganz im Gegenteil. Ich will’s nur nicht überall rumposaunen. Ist alles etwas kompliziert …« Als
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