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Der Ausloeser

Der Ausloeser

Titel: Der Ausloeser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Sakey
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spürte, wie sich der nächste Gefühlscocktail zusammenbraute: Zu zwei Dritteln fühlte er sich einfach nur zum Kotzen, zu einem Drittel war er stinksauer, dazu ein kleiner Schuss Habe-ich-eigentlich-eine-Wahl? »Mr. Loverin, ich brauche diesen Job. Aber …«
    »Abgemacht. Also am Dienstag. Und weißt du was? Wir machen dreihundert draus.« Johnny griff zum Telefon, wählte eine Nummer und lehnte sich zurück. »Hey, Mort. Scheiße, wie geht’s dir?« Nach einem kurzen Lachanfall blickte er auf und betrachtete Alex, als wäre er überrascht, ihn immer noch dort stehen zu sehen. Und befahl ihm mit einem energischen Nicken, sich endlich zu verziehen.

4
    ER GING NICHT HIN.
    Mitch lag auf dem Rücken, den rechten Arm hinter dem Kopf. Die Nacht war überraschend kühl gewesen, also hatte er bei offenem Fenster geschlafen. Jetzt ließ der Wind die Vorhänge tanzen; wann immer sie sich für eine Sekunde öffneten, flutete die Morgensonne den Raum, ein ständiger Wechsel von dunkel zu hell zu dunkel.
    Er stellte sich vor, wie der nächste Donnerstagabend ablaufen würde. Sie würden ihn fragen, wo er abgeblieben war, warum er nicht zum Brunch gekommen war. Er würde bloß die Schultern zucken – ihm sei etwas dazwischengekommen. Durch und durch cool, genau wie Jack Nicholson. Die personifizierte Souveränität.
    Andererseits würde er Jenn verpassen. Heute würde sie wahrscheinlich ein Strandkleid tragen.
    Er starrte an die Decke. Strandkleid. Jack Nicholson. Strandkleid.
    Mit einer ruckartigen Bewegung schüttelte er die Decke beiseite und rollte sich aus dem Bett. Er musste sich beeilen.
    Aber zuerst unter die Dusche. Im Hintergrund lief der liberale Radiosender: Der Subprime-Markt implodierte, der Dow stürzte ab, die Bush-Administration drängte auf einen Einmarsch in den Iran, da ihre beiden derzeitigen Kriege so hervorragend liefen. Mitch rasierte sich sorgfältig, drehte den Wasserhahn ab und trocknete sich das Gesicht mit demselben Handtuch wie immer, obwohl ein zweites, völlig unbenutztes daneben hing. Denn so sah es im Badezimmer eines Erwachsenen nun mal aus: zwei Handtuchhalter, für den Fall, dass eines Tages zwei Personen duschen wollten.
    Jeans und T-Shirt übergestreift, den Kaffee aufgesetzt und in kleinen Schlucken getrunken. Ein Blick auf die Uhr: 10:37. Wenn er jetzt aufbrach, würde er genau pünktlich kommen. Also schenkte er sich eine zweite Tasse ein und schlug seinen aktuellen Roman auf.
    Eigentlich komisch. Als sie sich kennengelernt hatten, hatte jeder von ihnen seine anderen, »richtigen« Freunde gehabt, oder zumindest Menschen, die sie dafür hielten. Aber mit der Zeit hatten diese Leute geheiratet, waren in eine andere Stadt gezogen oder einfach faul geworden, wie so oft mit Ende zwanzig – sie bekamen den Arsch nicht mehr hoch. Klar, sie würden liebend gerne mitkommen, aber dann klappte es doch nie. Und so waren ihre Donnerstagabende zu viert irgendwann keine nette Abwechslung mehr gewesen, sondern absolut unverzichtbar. Bald dachten sie sich weitere Anlässe aus: Abendessen in Ians Wolkenkratzerwohnung, Cubs-Matches im Sommer, und neuerdings ihr sonntäglicher Brunch.
    Aber so lief es eben im Leben. Du bist das, was du genau jetzt tust (und lässt), und nichts anderes. Früher hast du mal Gitarre gespielt, vielleicht wirst du mal mit Bowlen anfangen. Aber dein wahres Ich ist das, was dich in diesem Moment ausmacht – die Menschen, die du kennst, die Bücher, die du liest, die Träume, aus denen du erwachst. Alles andere ist ein bloßes Konstrukt – die Erinnerung daran, was einmal war, oder der Wunsch, was man heute gerne wäre.
    Um 11.02 Uhr legte er den Roman weg und ging runter, um nach einem Taxi Ausschau zu halten. Er konnte sich sowieso nicht konzentrieren.
    Der Name des Lokals – Kuma’s Corner – ließ eher an einen 24-Stunden-Minimarkt denken, doch tatsächlich handelte es sich um eine Mischung aus Heavy-Metal-Bar und Café: stilvoll ausgeleuchtete Räume, tätowierte Kellnerinnen, Eggs Benedict und Burger mit Bandnamen. Mitchs Timing war perfekt. Als er auf die kleine Terrasse schlenderte, saßen die drei schon am Tisch. Jenn ließ ihre weißen Zähne blitzen und rückte den leeren Stuhl an ihrer Seite zurecht. Sie trug kein Strandkleid, sondern ein ärmelloses Oberteil, das ihre gebräunten Schultern zur Geltung brachte. Immerhin.
    Mit einem Lächeln setzte er sich – dann sah er Ian. »Mann!« Sein linkes Auge war komplett zugeschwollen. Schwarze bis hellviolette

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