Der Ausloeser
aber so war es nun mal.
Der Secondhandladen wusste, was seine hippe Kundschaft erwartete: Retro-Möbel, punkige Angestellte, die sich in ihrem Bemühen um Coolness gegenseitig überboten, und nicht zuletzt alberne Geschenke – wer kaufte diese ganzen Jesus-Actionfiguren eigentlich? Nachdem Jenn ihre Tasche bei einem Mädchen mit doppelt gepiercter Unterlippe abgeliefert und im Gegenzug ein laminiertes Foto von Chuck Norris erhalten hatte, ging sie nach hinten zu den Klamotten.
Nach dem Abendessen bei Ian hatte Alex gefragt, ob sie noch mitkommen wolle. Fast hätte sie Ja gesagt, denn die Aussicht auf das Abenteuer hatte sie ziemlich scharf gemacht; Alex war sowieso kein schlechter Liebhaber, und unter diesen Umständen wäre es etwas völlig anderes gewesen. Aber dann hatte sie eine Entschuldigung gemurmelt, nein, sie müsste dringend ins Bett. Dabei wollte sie ihn immer noch, zumindest in gewisser Hinsicht. Doch irgendwie fühlte es sich nicht mehr richtig an. Irgendetwas hatte sich verändert – sie fühlte sich, als wäre sie die letzten paar Jahre als Schlafwandlerin durchs Leben getapst. Und jetzt, da sie endlich wachgerüttelt worden war, wollte sie dieses Gefühl um jeden Preis festhalten.
Jenn ging die Kleiderständer durch, auf der Suche nach einfachen, dunklen, unauffälligen Klamotten, und entschied sich schließlich für ausgewaschene Jeans und ein paar grobe Hemden mit ausgefransten Nähten. Die Auswahl an Schuhen hielt sich in Grenzen, aber da sie ausnahmsweise nach Schuhen suchte, die nicht passen sollten, hatte sie bald welche gefunden.
Ja, Mitch hatte sie wirklich überrascht. Er hatte einige gute Vorschläge gemacht, er hatte an praktische Dinge gedacht, auf die niemand sonst gekommen war. Mehr noch, er hatte sich gegen Alex gewehrt, und das mit deutlichen Worten. Normalerweise konnte sie Machogehabe nicht leiden, aber sie fand es gut, dass er endlich mal seinen Mann gestanden hatte.
Er hat es für dich getan.
Quatsch , widersprach sie der Stimme in ihrem Kopf. Okay, vielleicht doch ein kleines bisschen, aber hatte sie ihn etwa aufgefordert, bei der Sache mitzumachen? Hatte sie ihn mit Augenaufschlägen und Flüsterstimme bearbeitet? Nein. Sie hatte ihm sogar gesagt, dass sie seine Entscheidung akzeptierte, und das war nicht gelogen gewesen.
Trotzdem.
Okay, vielleicht machte er es wirklich nur wegen ihr. Na und? Selbst dann war er ein wohltuender Kontrast zu den Männern, die sie sonst so kennenlernte, zu all den Typen, die niemanden an sich rankommen ließen. Alex war schon in Ordnung, aber ihm war sehr daran gelegen, dass kein Mensch von ihrer Affäre erfuhr. Mitch war anders. Er wollte sie nicht nur; er war auch bereit, etwas für sie zu tun, ein Risiko einzugehen. Und hier offenbarte sich der nächste feministische Widerspruch: Es war ihr wichtig, als eigenständige, starke Person respektiert zu werden – aber welche Frau hegte nicht den geheimen Wunsch, einen Typen an ihrer Seite zu haben, der für sie eintrat, wenn es darauf ankam?
Genug davon. Eins nach dem anderen. Zunächst mussten sie sich um Johnny Love kümmern. Danach, wenn ihr Leben zu einer neuen Normalität gefunden hatte, würde sie alle Zeit der Welt haben, über Alex und Mitch nachzudenken. Oder über keinen der beiden. Jetzt musste sie erst mal einen Laden finden, der mitten im Sommer Skimasken verkaufte.
Wieder dieses Kribbeln. Jenn lächelte.
Aus der Anlage des YMCA-Fitnessstudios plärrte beschissene Discomusik, doch in Alex’ Kopfhörern rockten Hold Steady: Some nights the painkillers make the pain even worse … Er lehnte sich auf der Bank zurück und streckte die Arme nach oben, packte die Hantelstange und drückte sie in einer unangestrengten, flüssigen Bewegung aus der Halterung. Sein dritter Durchgang. Er konzentrierte sich auf das aufgeraute Metall zwischen den Fingern, während er seine Atmung auf den regelmäßigen Rhythmus einstellte, langsam runter, kontrolliert rauf, ohne zu zittern oder seitlich auszubrechen. Die ersten zehn waren kein Problem, die zweiten zehn verdammt anstrengend. Er dachte an Trish, an ihren Anruf, an ihren neuen Mann, der unbedingt nach Arizona ziehen wollte. Und was war mit ihm? Sollte er in seinem erbärmlichen Apartment vergammeln? Sollte er seiner Ex und ihrem Mann hinterherdackeln und auch in die Wüste ziehen? Oder seine Tochter einfach aufgeben?
Nein. Hoch. Auf gar. Runter. Keinen. Hoch! Fall.
Das Training beruhigte ihn, die ganze Anspannung fiel von ihm
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