Der Ausloeser
darüber konnte er sich im Moment keine Gedanken machen. »Hände auf den Tisch. Jetzt.«
Johnny starrte ihn an. »Hast du irgendeine Ahnung, was du da tust?«
Mitch wusste genau, was er tat, als er den Daumen nach oben schob und den Hahn spannte. Johnnys Augen weiteten sich. Eine schreckliche Sekunde lang hätte er liebend gern abgedrückt, eine Sekunde lang wollte er den Rückstoß spüren, den Knall hören. »Jetzt.«
Langsam hob Johnny die Hände und legte sie flach auf die Pressspan-Tischplatte. »Hier ist sowieso nichts zu holen. Nur die Tageseinnahmen. Also schnappt euch das Geld und verschwindet.«
»Fesseln.«
Ian rührte sich nicht. Er stand immer noch fassungslos über dem zusammengekrümmten Alex.
»Hey! Fessel den Typen!«
»Was? Ach so, klar.« Ian steckte die Pistole in den Hosensaum und zog eine flach gedrückte Rolle Klebeband aus der Gesäßtasche.
»Wenn du dich auch nur einen Zentimeter bewegst, jag ich dir eine Kugel in den Kopf. Also schön stillhalten, ja?«
»Du machst einen großen Fehler, Kleiner, einen sehr großen Fehler. Weißt du, wer ich bin?«
»Ja. Du bist der Typ, der hier in den Arsch gefickt wird.« Mitch fühlte sich wie jeder Gangster in jedem Gangsterfilm aller Zeiten, ein großartiges Gefühl. Als Ian den Tisch umrundete, wich er seitlich aus, um Johnny im Visier zu behalten.
»Hände zusammen«, sagte Ian, während er das Klebeband von der Rolle pulte.
»Schön fest machen.« Mitch wartete, bis Ian das Klebeband vier, fünf Mal um Johnnys Hände gewickelt hatte, ehe er sich einen kurzen Blick auf die Umgebung gestattete – ein kleines Büro, vielleicht zwölf Quadratmeter groß, mit einem billigen Schreibtisch, ein paar Stühlen und zwei Aktenschränken, an der Wand ein Bikini-Kalender und ein Spiegel mit Budweiser-Schriftzug. Und neben dem Tisch: eine große, schwarze Sporttasche.
»Kleiner, du hast keinen blassen Schimmer, in was du da reingeraten bist. Du steckst so was von in der Scheiße. Aber wenn du jetzt gehst, vergessen wir die ganze Sache.«
»Stopf ihm das Maul.«
Ian nickte, versah Johnnys Hände sicherheitshalber mit noch ein paar Extra-Schichten und riss das Band dann ab. »Zurücklehnen und Schnauze halten.«
Denk nach, Mann, denk nach. Du darfst nichts übersehen. Der Safe an der Wand war geschlossen, also sollte das Geld tunlichst in der Tasche sein – andernfalls hatten sie ein ernsthaftes Problem. Aber das würde er gleich überprüfen. Alex lag immer noch auf dem Boden und wimmerte vor sich hin: »Mein Auge, du Arschloch, mein Auge …« Ohne ihn zu beachten, durchquerte Mitch den Raum und riss das Telefonkabel aus der Dose. Johnny funkelte ihn wütend an, während sein Kopf Stück für Stück unter dem Klebeband verschwand. Der würde keinen Ärger mehr machen. Vorsichtig sicherte Mitch die Pistole und steckte sie hinten in den Gürtel, bevor er ebenfalls eine Rolle Klebeband aus der Tasche zog und vor Alex in die Knie ging.
»Hände ausstrecken.«
»Mann …«
»Hände ausstrecken« , wiederholte er und packte Alex’ Handgelenke. Er wünschte, er könnte ihn fragen, ob alles in Ordnung war, oder ihm zumindest ein bisschen Mut zusprechen, aber natürlich kam nichts dergleichen infrage. Nach einem halbherzigen Versuch, sich zur Wehr zu setzen, gab Alex auf. Als Mitch sein Gesicht aus der Nähe betrachtete, zuckte er kurz zurück: Es war völlig zerschlagen, Blut sickerte aus einer langen Risswunde ins Auge. Trotzdem biss er die Zähne zusammen und verschnürte Alex’ Hände und Füße, riss ein fünfzehn Zentimeter langes Stück Klebeband ab und klebte es über seinen Mund. Er hasste sich dafür, aber hatte er denn eine Wahl?
Als er aufstand, sah er, dass Ian mit Johnny fertig war. So weit, so gut. Mit schnellen Schritten ging er um den Schreibtisch herum und griff sich die Tasche. Ziemlich schwer. Er öffnete den Reißverschluss – und erstarrte.
So fühlte man sich also als Gewinner.
Johnny meldete sich zu Wort: Er trat mit den Füßen und brüllte gegen das Klebeband. Mitch packte ihn an den Schultern und schubste ihn vom Stuhl. Er knallte dumpf auf den Boden, der Stuhl krachte gegen die Wand.
»Erstens: Falls du dachtest, wir wären wegen der Tageseinnahmen hier, hast du dich geschnitten. Zweitens: Wenn du noch einmal schlecht über die Cubs redest …« Mitch beugte sich über den wehrlosen Johnny.
Erinnerst du dich an letzte Woche, Arschloch? Weißt du noch, wie du mir von deinen teuren Klamotten erzählt hast?
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