Der Ausloeser
davon können doch keine Viertelmillion wert sein.«
»Vielleicht braucht man das Zeug zur Herstellung von Drogen.« Vorsichtig schraubte er den Verschluss einer Flasche herunter, beugte sich vor und atmete einmal kurz ein – ein scharfer, chemischer Geruch, aber nichts, was ihm bekannt vorgekommen wäre. Als er ihr die Flasche hinhielt, schniefte sie zögerlich. »Also ich hab keine Ah…«
Eine Explosion hinter seinen Augäpfeln, ein jäher, gnadenloser, brutal dröhnender Kopfschmerz. Mitch klammerte sich an die Armlehnen, die Flasche zitterte in seinen Händen. Er durfte sie nicht fallen lassen, auf keinen Fall, auch wenn sich der Schmerz immer weiter ausbreitete, auch wenn er seine Fühler in den Hals, in die Schultern streckte. Seine Muskeln verkrampften sich, als würde sein Körper mit sich selbst ringen.
»Scheiße!« Jenn schlug sich die Hände vors Gesicht und presste die Finger an die Augen. Ihre Knöchel färbten sich weiß. »Scheiße, scheiße, scheiße!«
Er hatte keine Ahnung, womit er es zu tun hatte, aber es war ein verdammt übler Stoff. Wo war der Verschluss? Irgendwo auf dem Armaturenbrett. Die Sonne ließ seinen tastenden Arm in überirdisch hellem Licht erstrahlen, rostige Metallspäne fraßen sich durch das zarte Gewebe seines Hirns. Jenn ächzte hinter ihren Händen.
Volle Konzentration. Er musste unbedingt den Verschluss finden, und dabei möglichst die Luft anhalten. Endlich spürte er die Plastikkappe unter den bebenden Fingern. Am liebsten hätte er sie bloß auf die Flasche geknallt und dann nichts wie raus hier, aber er durfte keinen Tropfen von dem Teufelszeug verschütten. Also steckte er die Kappe vorsichtig auf den Flaschenhals und schraubte sie zu, bis sie sich keinen Millimeter mehr bewegte. Dann fasste er die Flasche mit beiden Händen und drehte noch einmal mit aller Kraft. Seine Unterarme zuckten vor Anspannung.
»Raus hier! Los!« Statt auf sie zu warten, stieß er die Fahrertür auf. Die frische Luft fuhr ihm in die Nase wie ein Rasiermesser. »Komm!«
»Was?«
»Los, verdammt noch mal!« Er rannte auf die Beifahrerseite, fasste sie unter den Schultern und zerrte sie raus, schleifte sie über den Gehsteig. Die Straße schien kein Ende zu nehmen, das Sonnenlicht zersprang in Millionen Splitter, die Welt verschwamm zu einer wässrigen Flüssigkeit. Eine Frau blickte ihnen besorgt hinterher, sagte sogar irgendetwas, doch er ließ sie einfach stehen.
»Wohin … «, fing Jenn an.
»Weiter, weiter!«
Sie stolperten über eine Kreuzung, ein schrilles Hupen ertönte, ein Taxi rauschte vorüber. Er wusste nicht, was mit ihm los war, warum er kaum noch etwas sehen konnte, ob es an der Droge lag oder an den Schmerzen, ob seine Pupillen geweitet waren oder ob er die Augen nur viel zu fest zusammenkniff, aber das war jetzt alles nebensächlich. Jetzt mussten sie nur noch zurück zur Wohnung.
Kurz darauf standen sie vor ihrem Haus. Arm in Arm schleppten sie sich die Treppe hinauf, obwohl es ihn noch mehr Kraft kostete als gedacht, obwohl seine verkrampften Muskeln sich anfühlten, als wollten sie jeden Moment den Dienst verweigern. Ein Schraubstock schloss sich um seine Lunge, während Jenn am Schlüsselbund herumfummelte. Endlich hatte sie den richtigen gefunden.
»Wir müssen uns waschen.« Er stolperte zur Spüle, überlegte es sich sofort wieder anders und zog sie durchs Schlafzimmer ins Bad, drehte das heiße Wasser auf und zerrte sich die Klamotten vom Leib.
»Ich schaff’s nicht.« Ihre Zähne klapperten, ihre Hände tasteten vergeblich auf dem Rücken. »Meine Finger.«
Mitch wirbelte sie herum, löste den BH und riss Kleid und Slip herunter, bevor er die Duschkabine öffnete, eintrat und Jenn mitschleifte. Gemeinsam kauerten sie sich unter das Wasser. Noch vor einer Woche hätte er seinen kleinen Finger gegeben, um mit Jenn unter der Dusche zu stehen, aber jetzt konnte er keinen Gedanken an ihren nackten Körper verschwenden. »Seife, wir brauchen Seife!« Fluchend wühlte er in ihrem Schönheitskram, schnappte sich den Kokosdreck von heute Morgen und drückte einen dicken Klecks in ihre und seine Hände. Dann rieb er sich kräftig ab, erst die Arme, dann das Gesicht, während sie sich unter dem Wasserstrahl abwechselten.
Vielleicht half das Wasser tatsächlich, vielleicht auch das Duschgel, oder es war einfach eine Frage der Zeit – auf jeden Fall entspannten sich Mitchs Schultern und Rücken allmählich, die Krämpfe lösten sich. Nur die Kopfschmerzen
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