Der Ausloeser
fühlen. Bitte bedenken Sie, dass es hier allein um das Wohl des Kindes geht.«
»Sie heißt Cassie.«
Es wurde still, bis Scott sagte: »Ich glaube, du gehst jetzt besser, Alex.«
Er starrte sie an, einen nach dem anderen. Der blasse Anwalt, ein Killer mit Füller in der Hand. Scott, wie er sein Revier markierte. Und Trish, die Tränen in den Augen hatte, aber seinem Blick beharrlich auswich. Alex’ Hände zitterten, sein Puls trommelte in den Ohren. »Was soll das heißen? Dass … Dass …«
»Es tut mir leid, Alex«, sagte Trish. Sie sprach irgendwo in Richtung des Kühlschranks. »Ich habe dich gewarnt.«
Er war betrunken. Zumindest dessen war er sich sicher. Das ergab zumindest eine Art Sinn.
Es war ein gutes Gefühl gewesen, im Vorbeigehen den Lexus des Anwalts zu zerkratzen, einmal schön mit dem Schlüssel über die Fahrertür. Aber die Erinnerung an das, was geschehen war, konnte es nicht auslöschen, und die Vorstellung, jetzt in seinem Drecksloch von einem Apartment zu sitzen und die Wand anzustarren, war unerträglich. Zurück in der Stadt, ging Alex daher auf direktem Weg in das Drecksloch von einer Bar am Ende der Straße – einer dieser Läden, die anscheinend keinen richtigen Namen hatten, ein viel zu hell ausgeleuchteter Raum voll greller Reklameschriften für billige Biersorten. Er hievte sich auf einen Hocker und orderte drei Wild Turkeys, kippte die Schnäpse einen nach dem anderen herunter und bestellte dasselbe noch mal.
»Einen schlechten Tag gehabt?«, fragte der Barkeeper
»Fick dich.«
Der Barkeeper schnaubte, zuckte die Achseln und füllte die Gläser erneut. »Bitte. Ich hoffe, du erstickst dran.«
»Gute Idee.« Alex trank den ersten Schnaps auf ex, bevor er die Ellenbogen auf die Theke stützte und den Kopf in die Hände sinken ließ.
Wie konnte es nur so weit kommen?
Natürlich ergab in seinem Leben kaum etwas einen Sinn – eigentlich schon nicht mehr, seit er erwachsen geworden war. Angeblich gehorchte jedes Leben einem übergeordneten Plan, aber das war ein reiner Mythos. Er wusste nicht mal, woher er diese absurde Vorstellung hatte; wahrscheinlich hatte er sie im Lauf der Kindheit aufgeschnappt, wie so vieles, wie den Irrglauben, dass Liebe ewig währte, dass am Schluss immer die Guten gewannen und dass es niemals zu spät war, ganz von vorne anzufangen. Lügen, nichts als Lügen. Es gab keine Kavallerie, die im letzten Moment zu Hilfe eilte. Probleme lösten sich nicht einfach so in Wohlgefallen auf. Menschen waren und blieben unglücklich. Okay, manche waren vorübergehend glücklich. Aber nur, damit das Unglück umso härter zuschlagen konnte, wenn es so weit war.
Doch dieses Lügengeflecht durchzog jede Facette des Lebens, ein Gespinst aus Täuschung und Betrug, das sich kaum entwirren ließ. Jede Gutenachtgeschichte, die ihm seine Eltern vorgelesen hatten, jeder Lehrer in der Schule, jede Predigt jedes Pfarrers, alle hatten sie ihm eingeimpft, das Leben hätte einen Sinn. Man müsste nur sein Bestes geben und die Augen offen halten, um das Muster, den großen Plan zu erkennen.
Und jetzt? Jetzt saß er hier in dieser versifften Bar. Und was war mit den anderen? Mit Jenn und Mitch und Ian? Lauter gesunde, junge Menschen, denen im Grunde nichts im Wege stand. Warum waren sie nicht glücklich? Oder wenigstens zufrieden? Ja, zufrieden. Damit hätte er sich schon zufriedengegeben. Ha ha.
Aber war Ian, mit seinen schicken Anzügen und seiner teuren Wohnung, etwa zufrieden? War Mitch zufrieden, der sich mit seiner Warmduschermentalität nur in fruchtlosen Tagträumen verlieren konnte? Oder Jenn, die immer noch darauf wartete, dass ihr ihre Bestimmung in den Schoß fiel? Ihnen war alles offengestanden, und sie hatten nichts erreicht.
Als Alex auf die Straße trat und einem Taxi winkte, was es kurz vor ein Uhr nachts. Er war müde und besoffen, und er brauchte dringend Trost.
Alex wusste, dass Jenn schon seit Monaten versuchte, die Hausverwaltung dazu zu bewegen, das Schloss im Vorraum ihres Apartmenthauses zu reparieren. Anscheinend hatten sie es immer noch nicht auf die Reihe gebracht. Er stieß die Tür auf und schleppte sich die Treppe hinauf. Vor ihrer Wohnung zögerte er kurz, ehe er dreimal kräftig klopfte. Seine Beine fühlten sich an wie Gummi, aber immer noch besser als sein Kopf. Jetzt wollte er sich nur noch in ihr weiches Bett vergraben, in ihre warmen Laken, den Duft ihres Körpers einsaugen und loslassen, in den Abgrund stürzen. Doch hinter der Tür
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