Der Ausloeser
tat sich nichts. Er klopfte noch einmal. Wieder keine Reaktion. Als er zum dritten Mal klopfen wollte, hörte er Schritte.
Die Tür öffnete sich.
Mitch.
Vor ihm stand Mitch, in Jeans und ohne Shirt.
Alex starrte ihn an. Fuhr herum, blickte sich im Hausflur um. Hatte er dem Taxifahrer die falsche Adresse gegeben? Nein. Nein, er war schon richtig hier. Er drehte sich wieder um. Mitch betrachtete ihn schweigend, bevor er langsam die Arme verschränkte. So stand er da, in der Andeutung einer machohaften Pose, mit ungekämmtem Haar und freiem Oberkörper. Offenbar wartete er darauf, dass Alex eins und eins zusammenzählte.
Dann krümmten sich Mitchs Lippen zu einem halben Lächeln. »Ist was, Alex? Brauchst du was?«
Trost. Geborgenheit. Einen Neuanfang.
Das Leben, das ich mir immer vorgestellt habe.
»Nein, danke«, sagte er, drehte sich um und ging.
21
JENN STAND DERMASSEN NEBEN SICH, EIGENTLICH HÄTTE SIE AUCH GLEICH ZU HAUSE BLEIBEN KÖNNEN . Sie hatte sich trotzdem dazu entschieden, sich auf den Weg in die Arbeit zu machen. Was hätte sie auch sonst tun sollen? Also hatte sie sich durch ihren Schrank gewühlt, während Mitch in der Dusche gewesen war, und sich schließlich für ein knielanges schwarzes Kleid und ein eng anliegendes Shirt entschieden. Hauptsache ein Outfit, das wenig Zeit kostete. Dazu etwas Lippenstift, aber keine Wimperntusche, bevor sie ihm über das Wasserrauschen hinweg zugerufen hatte, sie müsse sich beeilen.
Das mit letzter Nacht hatte sie überrascht. Sie hatte nicht vorgehabt, wieder mit ihm zu schlafen, jedenfalls nicht schon wieder. Aber dann, nach der Sache mit den Chemikalien, war irgendetwas in ihr gekippt. Plötzlich wollte sie auf keinen Fall allein sein, denn sobald Mitch aus der Tür gewesen wäre, hätte sie über den Überfall nachdenken müssen, und das wollte sie erst recht nicht. Keine besonders logische Argumentation, das war ihr bewusst, aber Logik hatte in den letzten Tagen sowieso keine große Rolle gespielt.
Der Sex war wieder nicht von schlechten Eltern gewesen, sie harmonierten ziemlich gut miteinander. Nur einmal, als sie auf allen vieren gekniet und ihn über die Schulter hinweg angesehen hatte, wie sie es oft machte, um einen Typen vollends in den Wahnsinn zu treiben, hatten sie plötzlich beide innegehalten – kaum hatten sich ihre Blicke getroffen, war all die Angst, all die Scham in den Raum geschwappt wie giftiger Nebel. Ein beschissener Moment. Doch dann, ohne etwas zu sagen, hatten sie beide wieder losgelegt, heftiger denn je, weil sie wussten, was die Alternative war. Zusammen hatten sie die Welt ausgelöscht, ihre Schuld weggevögelt, bis sie vor Anstrengung zusammengebrochen waren und vielleicht, endlich, schlafen konnten.
Etwa eine halbe Stunde später war Alex vor der Tür gestanden.
»Wer ist das!?«, hatte Mitch geschrien. Er hatte kerzengerade im Bett gesessen und sich panisch umgesehen.
Natürlich hatte sie sofort gewusst, wer es war. Aber wie hätte sie ihm das sagen sollen, ohne weiter ausholen zu müssen, als sie wollte? Deshalb hatte sie nur den Kopf geschüttelt und gesagt: »Keine Ahnung.« Und er war aufgestanden, hatte sich die Jeans übergestreift und war zur Tür gegangen.
Ein paar Minuten später war er wieder aufgetaucht. »Alex.«
»Was wollte er?«
»Hat er nicht gesagt. War wohl besoffen.« Mitch hatte geschwiegen, als wollte er ihr die Gelegenheit geben, noch etwas hinzuzufügen.
»Hmm«, hatte sie nur gemurmelt, »hoffentlich ist alles in Ordnung.« Sie hatte sich umgedreht und sich in die Laken gekuschelt, und kurz darauf hatte er sich zu ihr gelegt. Gemeinsam waren sie in einen seltsamen Dämmerschlaf abgedriftet, wie immer, wenn zwei Menschen noch nicht gewohnt sind, nebeneinander zu schlafen.
Jetzt, in der Arbeit, war sie kaum anwesend. Sie beantwortete E-Mails, ermittelte Flugpreise und redete ins Telefon, aber alles geschah wie hinter einem Schleier. Ihr Chef erkundigte sich zweimal, ob auch alles in Ordnung sei.
Mittags rang sie sich endlich zu einer Entscheidung durch. Ja, ihr Leben war völlig aus den Fugen geraten. Ja, nichts war mehr, wie es einmal gewesen war. Sie hatten einen Menschen getötet, die Polizei war ihnen auf den Fersen, und in ihrem gestohlenen Cadillac lagerte eine Gallone flüssiges Heroin. Folglich hatte sie exakt zwei Möglichkeiten: Sie konnte sich unter dem Schreibtisch verkriechen wie eine peinliche Tussi aus einer Seifenoper. Oder sie konnte ihre Probleme anpacken.
Also fuhr sie
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