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Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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sagen.«
    »Aber Sie wussten es?«
    »Richtig.« Sie zündete sich die nächste Zigarette an. »Deswegen hab ich von der Vergewaltigung erzählt.« Als er die nächste Frage stellen wollte, wehrte sie ab. »Na hören Sie mal! Sie brauchen gar nicht so ein Gesicht zu machen. Was war denn schon dabei? Ich hätte Cill nie im Leben verraten, auch wenn ich sie ziemlich gemein fand. Sie war doch nur mal für eine Nacht abgehauen … das tun Hunderte von Kindern jeden Tag. Außerdem wollte ich doch der Polizei nicht auf die Nase binden, dass wir immer bei Grace rumhingen, wenn wir Schule geschwänzt haben. Ich wusste ja nicht, was sie dann mit Grace machen würden. Und mit mir «, fügte sie nachdenklich hinzu. »Ich wollte rübergehen, sobald ich wieder zu Hause war, und Cill die Meinung sagen, aber meine Mutter hat sich über die Geschichte mit der Vergewaltigung so aufgeregt, dass sie mich nicht mehr aus den Augen gelassen hat. Und danach war dann der Teufel los.«
    »Inwiefern?«
    »Na, was meinen Sie wohl?«, fragte sie trübe.
    »Als ich das nächste Mal rübergegangen bin, hat’s ausgeschaut wie auf einem Schlachtfeld.«
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    Es war, als sähe man zu, wie ein batteriebetriebenes Spielzeug langsam auslief. Was immer Louise den Anstoß gegeben hatte, Andrew aufzusuchen und ihm ihre Geschichte zu erzählen, wurde bald durch den Alkohol und die körperliche Erschöpfung neu-tralisiert. Sie lehnte den Kopf ins Rückenpolster des Sofas und starrte zur Decke hinauf.
    »Sind Sie hineingegangen?«
    »Nein, ich hatte viel zu viel Angst.«
    »Wovor?«
    »Ich sag doch, es hat ausgesehen wie auf einem Schlachtfeld. Alles lag auf dem Boden rum.«
    »Wo?«
    »In der Küche – im Wohnzimmer …«
    »Was lag herum?«
    » Alles. Schubladen, Bücher, Flaschen, Pflanzen.
    Als hätte eine Bombe eingeschlagen.«
    Andrew warf ihr einen Seitenblick zu. »Wie konnten Sie denn ins Wohnzimmer sehen? Ich dachte, die Vorhänge wären geschlossen gewesen.«
    »Nein, hinten nicht. Ich habe durch die Fenstertür zum Garten reingeschaut.« Sie schnippte Asche auf 498

    seinen Teppich, bevor sie das nächste Mal an ihrer Zigarette zog. »Es war furchtbar. Ich habe sofort gewusst, dass was Schlimmes passiert war. Auf der Fensterscheibe war Blut – direkt vor meinen Augen.
    Ich hab gedacht, es wäre von Cill.«
    »Warum?«
    Sie drehte den Kopf zu ihm. »Weil Grace eine Irre war«, antwortete sie mit Entschiedenheit, »und ich immer gewusst hab, dass sie eines Tages durchdre-hen würde. Cill hat sich dauernd über sie lustig gemacht, ich meine, wie sie geredet hat, und ich dachte, sie wäre zu weit gegangen, und Grace wäre ausgerastet.«
    »Und was haben Sie da getan?«
    »Ich bin heimgerannt, hab kein Wort gesagt und bin wochenlang nicht mehr aus dem Haus gegangen.« Sie lächelte schwach über den Ausdruck seines Gesichts. »Ich hatte Angst vor den Bullen, ich dachte, die würden mich fertig machen, weil ich ihnen nicht gesagt hatte, wo sie an dem Samstag war. Ich hätte es ihnen sagen müssen – ich hätte es ihnen auch gesagt, wenn meine blöde Mutter sich nicht vorgedrängelt hätte.«
    »An welchem Tag war das alles?«
    Sie überlegte einen Moment. »Es muss der Dienstag gewesen sein. Ich bin auf dem Heimweg von der Schule schnell hintenrum gegangen, weil ich es satt hatte, dass mich alle ständig nach Cill fragten. Am Mittwoch hatte ich dann einen 499

    Zusammenbruch, und danach haben meine Eltern
    mich zu Hause gelassen, bis wir umgezogen sind.«
    Andrew speicherte die Information. »Warum haben Sie Ihrer Mutter nicht erzählt, was Sie gesehen hatten?«
    Louise antwortete nicht gleich, sondern richtete den Blick wieder zur Zimmerdecke, als erhoffte sie sich von dort eine Eingebung. »Wer sagt, dass ich’s nicht erzählt habe?«, fragte sie dann.
    »Es gibt keinen Hinweis darauf, dass Ihre Mutter zur Polizei gegangen ist.«
    »Das heißt noch lange nicht, dass ich es ihr nicht erzählt habe.« Sie beugte sich mit einer ruckartigen Bewegung vor, um ihre Zigarette auszumachen.
    »Sie ist hochgegangen wie eine Rakete. Und mein Vater genauso. Wie ich ihnen das antun könnte!
    Was würden denn da die Nachbarn sagen. Ob mir nicht klar wäre, in was für eine fürchterliche Lage ich sie gebracht hätte. Erst erzähl ich von einer Vergewaltigung. Dann verheimliche ich, wo Cill sich versteckt hat – und jetzt quassle ich von Blut an Grace’ Fenstern …« Sie lachte dumpf. »Sie haben mich nie besonders gemocht, ich bin sicher, sie dachten,

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