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Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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selber Hand anzulegen. Den interessiert die Gerechtigkeit überhaupt nicht, den interessiert nur Geld. Ich bin so wütend , Roy.«
    »Eher enttäuscht, denk ich mal.« Es folgte ein Geräusch, als kratzten Stuhlbeine über den Boden.
    »Kopf hoch, George. Es werden andere kommen.
    Sie haben es doch selbst gesagt – es hat fünfzig Jahre gedauert, bevor Derek Bentley begnadigt wurde.«
    »Aber ich habe keine fünfzig Jahre mehr Zeit, Roy.«
    »Dann müssen Sie eben den Ärzten beweisen, dass sie sich irren. Bleiben Sie hier. Ich seh zu, dass ich ihn loswerde, dann schau ich mir Ihre Batterie an. Sie hängt jetzt seit über einer Stunde am Gerät, da müsste sie eigentlich wieder Saft haben.«
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    Ein Schloss knackte, als eine Tür aufgestoßen wurde. Jonathan drehte sich nach ihr um, das Gesicht ungewöhnlich furchtsam. Der Schmerz in seinem Leib brannte wie eine Verätzung, die sich durch seine Magenwand fraß, und er wünschte verzweifelt, er hätte auf seine Reise Magentabletten mitgenommen. Er schluckte Galle hinunter und gab dem Eintopf die Schuld an seinem Zustand.
    Roy Trent, dem Georges Schelte ein wenig zu weit ging, grinste.
    »Keine Sorge, Meister«, sagte er und schloss die Küchentür hinter sich, »ich beiße nicht. Ich wollte nur sehen, ob Sie zum Bahnhof ein Taxi wollen, weil es so schüttet. Wenn ich jetzt anrufe, dauert’s ungefähr zehn Minuten oder so. Sie können in der Bar warten oder wieder raufgehen.« Das Grinsen wurde breiter.
    »Sie haben nichts zu befürchten, solange ich George in der Küche festhalte.«
    Jonathan unternahm einen schwachen Versuch, sich zu erklären. »Ich weiß nicht, womit ich sie verstimmt habe.«
    »Dann haben Sie ja auf der Zugfahrt Stoff zum Nachdenken. Also – soll ich ein Taxi holen, oder gehen Sie lieber zu Fuß?«
    »Warum hat sie mir geschrieben, wenn sie nicht bereit war, mit mir zusammenzuarbeiten?«
    »Weil sie seit Jahren versucht, jemanden für die Sache zu interessieren. Sie war ganz begeistert, als 162

    sie Sie im Radio gehört hat. Sie dachte, Sie wären der Mann, der endlich was bewegen würde.«
    »Der bin ich auch.«
    »George ist da anderer Meinung. Sie glaubt, dass es Ihnen nur um den Profit geht. Howard kann der Teufel holen, Hauptsache, Sie machen Geld damit.
    Aber das läuft bei George nicht.«
    »Ich werde ihren Beitrag natürlich anerkennen.
    Ich beteilige sie an den Tantiemen, wenn ihre Erkenntnisse uns weiterbringen.«
    Roy schüttelte den Kopf. »Sie haben wirklich nichts verstanden. Sie entschuldigt sich bei Ihnen eine halbe Stunde lang für mein Mundwerk und dann muss sie feststellen, dass Sie tausendmal into-leranter sind als ich. Nur zu Ihrer Information: Sie hat zwei abgeschlossene Studien – Psychologie und Kriminologie – an der Fernuniversität und einen Doktor in Verhaltensforschung von der Universität Sussex, extern gemacht.« Die Erheiterung kehrte in seinen Ton zurück. »Man sollte in seinem Urteil nicht zu schnell sein, Meister. George ist viel zu bescheiden, um sich Doktor zu nennen – ganz im Gegensatz zu Ihnen –, aber sie ist dazu genauso berechtigt. Der Unterschied ist, dass sie den harten Weg gegangen ist; sie hat voll gearbeitet und abends studiert. Sie haben Ihr Studium billig bekommen – kostenlos, von Leuten wie George finanziert. Da lohnt sich’s doch, der Alibi-Schwarze zu sein.«
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    »Sie irren sich«, entgegnete Jonathan scharf.
    »George zufolge nicht. Sie sollten nicht auf andere runterschauen, Meister, jedenfalls nicht, wenn Sie ihre Mitarbeit wollen. Sie ist eine echt gute Seele, die für jeden ihr Bestes tut, aber sie hat was gegen Leute, die andere einschüchtern, sie hat was gegen Leute, die andere ausbeuten, und sie hat was gegen Snobs.« Er kippte den Daumen abwärts. »Sie haben von allen etwas. Also – wollen Sie ein Taxi, oder gehen Sie zu Fuß?«
    Die Beschuldigung, er schüchtere andere ein, beschäftigte Jonathan, als er die Highdown Road hinunterging. Hinter seiner Unsicherheit hatte immer Wut geschwelt, die sich manchmal in un-kontrollierbaren Anfällen gegen seine Mutter und seinen senilen Großvater Luft gemacht hatte, aber er hatte sich nie als einen brutalen Menschen gesehen, der andere einschüchterte. Brutal war sein Vater gewesen, dessen Frustrationen häufig mit erschreckender Plötzlichkeit in Gewalt umschlugen.
    Es hatte in Clarence Hughes’ Leben keine Freude gegeben, nur den täglichen Trott stumpfsinni-ger Subalternenarbeit beim Bezirksrat, die seinen Intellekt

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