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Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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Geständnis und den Beweisen überzeugen lassen, aber sie nicht.« Sie legte eine Hand auf den Hefter. »Sie gehörte zu den Zeugen, die bei der Polizei aussagten, sie hätten Howard am Tag des Mordes gesehen, aber beim Prozess wurde sie nicht aufgerufen. Sie 153

    war damals erleichtert, weil sie noch nie vorher bei Gericht gewesen war und sich bei der Vernehmung durch die Polizei eingeschüchtert gefühlt hatte.
    Erst hinterher fragte sie sich, warum man auf ihre Aussage keinen Wert gelegt hatte. Sie schrieb deswegen sogar ihrem Abgeordneten, erhielt aber nie eine Antwort.« Sie zog ein Gesicht. »Das ist nichts Ungewöhnliches, aber in Anbetracht dessen, was sie zu sagen hatte, hätte man doch nachhaken müssen.« Wieder schwieg sie.
    »Was war das denn?«
    »Dass sie Howards Ankunft beobachtet hatte, nicht seine Flucht. Sie putzte gerade ihr Wohnzim-merfenster, als er kam und mit seinem Schlüssel die Tür zum Haus seiner Großmutter öffnete. Sie hatte das Radio an und hörte die Nachrichten auf dem Home-Service-Sender. Kurz nachdem Howard
    ins Haus gegangen war und die Tür geschlossen hatte, war die Sendung zu Ende.« Sie lächelte ungeduldig, als sie sah, dass er nicht verstand. »1970
    hieß Radio 4 der Home-Service-Sender, und die Mittagsnachrichten waren immer Punkt zwei zu Ende. Danach kam The Archers , das hat mein Vater jeden Tag eingeschaltet.« Sie klopfte auf die Tischkante. » Unmöglich kann Howard alles, was ihm zur Last gelegt wurde, in einer halben Stunde erledigt haben.«
    Jonathan verspürte einen Anflug von Erregung.
    »Hat diese Frau eine Aussage gemacht?«
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    »Ja. Ich habe über meine Kontakte zum Polizei-ausschuss versucht, das Originalprotokoll zu bekommen, aber ohne Erfolg. Wenn die Akte noch existiert, weiß kein Mensch, wo sie ist – aber vermutlich wurde sie nach Howards Tod vernichtet.
    Ich habe jedoch eine Kopie, die meine Nachbarin mir 1997 aus dem Gedächtnis diktierte. Sie wird natürlich nicht wortwörtlich mit dem Original übereinstimmen, aber sie hat sie unterschrieben, und wir haben sie amtlich beglaubigen lassen.« Sie seufzte. »Die Arme, sie ist wenig später gestorben, von Schuld gequält, dass sie nicht energischer versucht hatte, Howard vor dem Gefängnis zu bewahren …«
    Er schnippte Asche auf seinen Teller. »Und warum hat sie es nicht getan?«
    »Weil sie ein bescheidenes Persönchen war und rückhaltloses Vertrauen zur Polizei hatte. Vor dem Prozess glaubte sie, man habe sie nicht als Zeugin gerufen, weil ihre Aussage nicht wichtig genug war. Hinterher begann sie sich Gedanken zu machen. Sie erzählte mir, sie habe mit dem zuständigen Polizeibeamten gesprochen und der habe gesagt, der Fall sei erledigt. Sie versuchte, mit Wynne Verbindung aufzunehmen, aber Wynne war damals wegen des großen Wirbels schon untergetaucht …
    dann brachte Howard sich um.«
    »Und sie hat aufgegeben?«
    »Ja.«
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    »Wann hat sie dem Abgeordneten geschrieben?«
    »Drei Tage vor Howards Tod. Sie nahm an, sie hätte deshalb nie eine Antwort bekommen. Dann kam ich und wühlte alles wieder auf.« Sie hielt inne.
    »Ich weiß heute noch nicht, ob das richtig war von mir. Sie hatte es geschafft, sich einzureden, dass Howard wohl aus gutem Grund ein Geständnis abgelegt hatte, und ihr Gewissen wäre ruhiger gewesen, wenn sie das weiterhin hätte glauben können.«
    »Sie dürfen sich das nicht vorwerfen.«
    Sie lachte dünn. »Sie würden sich wundern, was ich mir alles vorwerfen kann, Dr. Hughes. Im Augenblick könnte ich mich dafür ohrfeigen, dass der Wagen nicht angesprungen ist. Wie heißt es so schön: Ende gut, alles gut. Aber auch andersherum trifft der Spruch wohl zu … nach einem verhunz-ten Start ist eigentlich nichts mehr zu retten.«
    Jonathan überging die Bemerkung. Aus seiner Sicht hatte das Gespräch eine positive Wendung genommen, seit sie zur Sache gekommen war. Er nahm Block und Stift aus seiner Aktentasche. »Wie hieß denn Ihre Nachbarin?«
    Sie sah ihn einen Moment lang forschend an, ehe sie mit offenkundigem Bedauern und nicht ohne eine gewisse Verlegenheit in entschuldigen-dem Ton sagte: »Oh, das war’s wohl. Es tut mir Leid, aber ich werde Ihnen den Namen nicht sagen, Dr. Hughes, und ich werde Sie auch meine 156

    Aufzeichnungen nicht lesen lassen. Ich habe Ihnen ein Detail mitgeteilt, das auf Howards Unschuld hinweist, weil es mir unangenehm wäre, Sie mit völlig leeren Händen nach Hause zu schicken, nachdem ich Sie hier heruntergelockt habe. Aber

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