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Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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Einwanderungsbeamte, Panzer, Soldaten, kritische alte Jungfern, primitive Gastwirte, Krieg – ohne eine heftige emotionale Reaktion ertragen. Aber er wusste, dass das nur eine Ausrede war. In Wahrheit stürzten die Mauern in seinem Inneren ein, weil endlich jemand ihm mit ein wenig Menschlichkeit entgegenkam.
    Die Frau trat näher, und er fing einen Hauch ihres Parfüms auf. »Ich nehme an, Sie haben zu viel getrunken, aber wenn Sie nicht wollen, dass die Bullen sich einmischen, dann reden Sie mit mir, tun Sie so, als würden wir uns kennen – oder noch besser, geben Sie mir Ihre Aktentasche.« Sie streckte ihm die Hand entgegen. »Wegen der sind die doch so misstrauisch. Wenn Sie mir erlauben, sie aufzumachen, hauen sie bestimmt ab.«
    Er reichte ihr die Tasche, von plötzlichem Schwindelgefühl befallen. »Ich bin nicht betrunken.«
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    »Es sieht aber verdammt danach aus.« Sie legte die Aktentasche auf ihr abgewinkeltes Knie, öffnete die Schnappschlösser und die Klappe, so dass jeder Beobachter es sehen konnte. Mit flinken Fingern durchwühlte sie die Briefe, bevor sie sie alle herausnahm und ihm reichte. »Sehen Sie mich an«, befahl sie. »Tun Sie so, als hätten wir uns hier verabredet. Suchen Sie irgendwas aus und geben Sie es mir.«
    Er wappnete sich, zu ihr hinunterzublicken, und drängte die aufsteigende Übelkeit gewaltsam zurück. »Wer sind Sie überhaupt?«
    »Das spielt keine Rolle. Geben Sie mir einfach ein Blatt Papier. Gut.« Sie nahm den Zettel und über-flog ihn. »Reden Sie mit mir. Sagen Sie Rhabarber, Rhabarber, wenn Sie wollen, aber tun Sie so, als würden wir miteinander sprechen.«
    Woher wusste sie, dass die Polizei ihn verdächtigte, eine Bombe in seiner Aktentasche zu haben?
    »Rhabarber.«
    »Noch mal.«
    »Rhabarber … Rhabarber … Rhabarber.«
    Sie wies auf eine Stelle in dem Brief und warf ihm einen lächelnden Blick zu. »Lachen Sie. Leute, die lachen, sprengen keine Züge in die Luft.«
    »Ich will keinen Zug in die Luft sprengen. Ich bin ein braver englischer Universitätsdozent. Mein Pass ist in der Tasche. Ich brauche ihn nur zu zeigen.«
    »Die werden Sie trotzdem in die Zange nehmen.
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    Mehrere Leute haben einen Araber mit irrem Blick auf dem Bahnsteig gemeldet. Ich bin hintenrum gegangen. Sonst hätten sie mich nicht durchgelas-sen.«
    »Und warum haben Sie keine Angst?«
    »Ich weiß, wer Sie sind. Ich habe Sie im Crown and Feathers gesehen.«
    Jonathan versuchte, sich zu erinnern. In der Bar hatte ein Pärchen gesessen, ja, aber er glaubte nicht, dass die Frau diese hier gewesen war. »Ich kann mich nicht an Sie erinnern.«
    Sie stopfte die Briefe wieder in die Aktentasche und klemmte sich diese unter den Arm. »So was soll vorkommen«, erwiderte sie wenig aufschlussreich mit einem Blick zum Bahnsteigzugang. »Ich glaube, Sie haben jetzt nichts mehr zu befürchten.
    Sie scheinen gegangen zu sein. Kommen Sie, da vorn ist eine Bank.« Sie schob ihm die freie Hand unter den Ellbogen und lotste ihn den Bahnsteig hinunter. »Es wird Ihnen gleich besser gehen, wenn Sie sich setzen. So nass, wie Sie sind, macht ein bisschen mehr Wasser am Hosenboden auch nichts mehr aus.« Sie wartete, bis er sich auf der eisernen Bank niedergelassen hatte, und setzte sich dann neben ihn. »Hat Roy was gesagt, was Sie so fertig gemacht hat? Er kann manchmal ein ziemlicher Idiot sein.«
    Jonathan lehnte sich zurück und schaute zum Himmel hinauf. Die Übelkeit begann nachzulas-173

    sen. Es hatte aufgehört zu regnen, und wässriges Sonnenlicht brach durch die Wolken, aber es war immer noch sehr kalt. Er roch ihr Parfum, es war ein angenehmer Duft, und zum ersten Mal seit Monaten empfand er die Nähe einer Frau als tröst-lich. Er konnte es sich nicht erklären und versuchte es auch gar nicht, er war einfach dankbar für den menschlichen Kontakt. »Ist er ein Freund von Ihnen?«
    »Eigentlich nicht. Ich kenne seine Exfrau, da bekomme ich natürlich einiges zu hören. Er ist berüchtigt dafür, dass er erst redet und dann denkt.
    Hat er Sie beleidigt?«
    Da lohnt sich’s doch, der Alibi-Schwarze zu sein … War die Wahrheit jemals beleidigend? Es war pervers, aber er fühlte sich getrieben, den Mann zu verteidigen. »Wenn ja, dann wahrscheinlich nicht absichtlich.«
    »Also, darauf würde ich mich nicht verlassen«, sagte sie mit einem unbefangenen Lachen. »Er ist vielleicht nicht der hellste Kopf, der rumläuft, aber das Sticheln hat er echt drauf. Vergessen Sie’s einfach. Der

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