es nicht, wirkt er selbstgefällig. Beides ist aufreizend, aber leichter zu ertragen, wenn man es als eine Art Behinderung sieht.
Mit freundlichen Grüßen
Andrew Spicer
Anlage
259
DR. JONATHAN HUGHES
Wohnung 2b, Columbia Road
West Kensington
London W14 2DD
E-Mail:
[email protected] Samstag, 5. April
Liebe George,
ich darf gar nicht daran denken, wie schlecht ich mich bei unserem Treffen benommen habe,
glauben Sie also bitte nicht, Sie müssten sich für irgendetwas entschuldigen. Meine Reise
nach Bournemouth war für mich eine heilsa-
me Lektion in eigener Dummheit. Aber man
sagt ja, dass in allem Schlechten auch etwas
Gutes steckt, und bei mir trifft das eindeutig zu. Ich werde Sie nicht mit der Geschichte der Wandlung des Saulus zum Paulus langwei-len – Sie hassen dieses Klischee wahrscheinlich so sehr wie ich –, lassen Sie mich nur sagen, dass ich Andrews Rat beherzigt habe und mich
bemühe, mit mir ins Reine zu kommen.
Ihr Schreiben und die beigefügten Anlagen wa-
ren hochinteressant für mich. Mag sein, dass
260
Sie mittlerweile Ihre Annahmen überprüft und
für richtig oder falsch befunden haben, ich
möchte Sie trotzdem auf Folgendes aufmerk-
sam machen:
• Ich habe mir das Foto von Priscilla Fletcher genau angesehen und bin zu dem Schluss gekommen, dass sie die Frau sein könnte, die
mich am Bahnhof Branksome angesprochen
hat.
• Es besteht zwar eine gewisse Ähnlichkeit
zwischen den Fotografien von Priscilla
Fletcher und Cill Trevelyan, aber nur auf
den ersten Blick. Vielleicht kommt es daher,
dass der Babyspeck weg ist, oder dass es
sich um eine Schwarzweißaufnahme handelt,
aber ich habe den Eindruck, dass der Schnitt
der beiden Gesichter sehr unterschiedlich ist.
Cill hat eine kräftigere Kinnpartie und stär-
ker ausgeprägte Wangenknochen als Priscilla,
deren Züge recht zart wirken. Cills Augen
sehen dunkler aus, aber auch das kann am
Schwarz-Weiß der Aufnahme liegen.
• Priscilla mit ihrer sehr hellen Haut und dem dunklen Haar hat etwas von einem »Schnee-wittchen«. Auch wenn diese Kombination
nicht ungewöhnlich ist, so verbindet man
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doch helle Haut im Allgemeinen eher mit
rotem oder blondem Haar – außer bei den
Iren und Walisern. Auf mich wirkte das
Aussehen der Frau am Bahnhof Branksome
künstlich. Das Foto vermittelt den gleichen
Eindruck. (Stark geschminkte Augen, ge-
zupfte Augenbrauen, gefärbtes (?) Haar.)
• Wenn die Fotografien tatsächlich dieselbe
Person zeigen, gibt es einige interessante
Diskrepanzen.
• Zeigen sie zwei verschiedene Personen, so
bestehen frappierende Ähnlichkeiten, zumal
beide Priscilla heißen, und Cill Trevelyan
heute Mitte vierzig wäre.
Ich nehme an, Sie haben die Zeitungsarchive
bereits nach Hinweisen auf Cill Trevelyans
Rückkehr durchforstet. Sie haben vielleicht sogar ihre Eltern ausfindig gemacht – wenn diese in der Gegend von Bournemouth geblieben
sind. Wenn Sie aber, wie ich vermute, keine
Anhaltspunkte dafür gefunden haben, dass sie
jemals zurückgekehrt ist – (ich stelle mir vor, Sie haben diese Recherchen angestellt, bevor
Sie Andrew geschrieben haben) –, lautet die
nahe liegende Frage doch: Wenn Priscilla nicht Cill ist, warum nimmt sie dann den Namen
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und die äußere Erscheinung einer Frau an, die vor mehr als dreißig Jahren spurlos verschwunden ist?
Hier noch einige Punkte, die mir bei der
Lektüre der Zeitungsausschnitte aufgefallen
sind:
• Man vergleiche: »Drei junge Männer … auf-
grund der Beschreibungen festgehalten, die
eine Schulfreundin von Priscilla lieferte …«
mit Jean Trevelyans Behauptung: »Eine ihrer
Freundinnen sagte aus, dass sie von mehre-
ren jungen Burschen vergewaltigt wurde …«
Aus diesen beiden Aussagen kann man ver-
schiedene Schlüsse ziehen: Die Freundin war
bei dem Zwischenfall entweder zugegen oder
erfuhr danach davon; die Freundin verriet
erst nach Cills Verschwinden, was geschehen
war.
• Man vergleiche: »Es wird vermutet, dass das Mädchen … nach einem Streit mit dem Vater
durchgebrannt ist …«; »… nachdem Nach-
barn von ständigen Streitereien zwischen
Vater und Tochter berichtet hatten …«; »Er
(der Vater) hat sich Sorgen gemacht, weil
sie dauernd die Schule schwänzte …«; »Cill
hatte es immer schwer …«; »Den größten
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Schmerz bereitet ihr (Jean Trevelyan), dass
Priscilla es nicht über sich brachte, sich
jemandem anzuvertrauen und über