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Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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Eltern gaben die Hoffnung nicht auf, aber sonst glaubte kein Mensch daran, dass sie sich allein durchschlagen konnte.«
    Er nickte. »Warum hat die Polizei dann die Ermittlungen eingestellt?«
    »Ich glaube, das hat sie gar nicht getan. Der Fall blieb jahrelang offen, aber im Grunde wartete man nur darauf, dass irgendwo ein Skelett entdeckt werden würde. Wie einer der Beamten sagte, sie hat sich in Luft aufgelöst, nachdem sie das Haus ihrer Eltern verlassen hatte. Sie wurde beinahe mit Sicherheit von einem dieser Ungeheuer entführt, die es auf Kinder abgesehen haben. Sie könnte überall begraben sein.«
    »Ihr Vater wurde befragt und als Täter ausgeschlossen«, bemerkte George. »Wissen Sie, auf welcher Grundlage? Er wäre doch am ehesten verdächtig gewesen.«
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    »Er hatte in der Woche Nachtschicht, und Priscillas Mutter sagte aus, ihre Tochter sei noch zu Hause gewesen, als er zur Arbeit ging. Er meldete sie vermisst, als er um sechs Uhr morgens nach Hause kam und feststellte, dass ihr Bett unberührt war. Seine Arbeitskollegen sagten übereinstimmend aus, er habe seinen Arbeitsplatz die ganze Nacht nicht verlassen.«
    »Was hat er gearbeitet?«
    »Er war Vorarbeiter bei Brackham & Wright, der Werkzeugfabrik. Sie hat einige Jahre später geschlossen, und auf dem Gelände wurde dann die neue Gesamtschule gebaut.«
    Danach trat ein langes, gedankenvolles Schweigen ein.
    »Was sagten Sie gleich wieder über örtliches und zeitliches Zusammentreffen?«, fragte George, ihren Stift auf Jonathan gerichtet. »Man solle sich davon nicht verlocken lassen, Zusammenhänge herzustellen … ›Zufälle kommen vor‹. Tja, aber ich bin nun doch verlockt.« Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Hilda Brett zu. »Erinnern Sie sich an die Ermordung von Grace Jefferies? Ihre Leiche wurde eine Woche nach Priscillas Verschwinden gefunden.«
    Die alte Frau nickte. »Ja, eine schlimme Geschichte. Sie erwähnten vorhin schon den Mann, der sie ermordet hat.«
    »Howard Stamp«, sagte George. »Seine Mutter Wynne – Grace’ Tochter – hat ebenfalls bei 339

    Brackham & Wright gearbeitet. Ich finde, man braucht schon eine Menge Fantasie, um zu glauben, dass eine Entführung und ein Mord innerhalb von einer Woche bei Familien, deren Angehörige bei derselben Firma arbeiten, Zufall sind. Irgendwie müssen diese beiden Ereignisse miteinander in Zusammenhang gestanden haben. Hat die Polizei Ihnen gegenüber jemals etwas in dieser Richtung angedeutet?«
    »Mir gegenüber nicht, nein. Ich erinnere mich allerdings, dass ich erstaunt war, als ich im Lauf des Prozesses hörte, dass Mrs. Stamp bei der Firma arbeitete – aber das war natürlich erst ein Jahr nach Priscillas Verschwinden.« Hilda Brett zog sich einen Moment in sich selbst zurück und sah zum Fenster hinaus, während sie ihren Erinnerungen nachhing. »In der Rückschau springt es einem förmlich ins Auge, dass da möglicherweise ein Zusammenhang besteht«, sagte sie nach einer Weile, »aber damals war das nicht so offenkundig. Sie dürfen nicht vergessen, dass Brackham &
    Wright in den Sechzigerjahren einer der größten Arbeitgeber in Highdown war – circa zweitausend Leute arbeiteten dort, zum Beispiel auch eine große Zahl unserer Eltern. Soweit ich mich erinnere, war auch Louise Burtons Vater dort Vorarbeiter, und viele Schüler von uns gingen dort in die Lehre.«
    »Was für Leute waren die Burtons?«, fragte Jonathan, bevor George etwas sagen konnte.
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    »Ich glaube, ihn habe ich nie persönlich kennen gelernt – man hatte damals nicht viel Kontakt mit den Eltern –, aber ich weiß, dass ich mit Mrs. Burton wegen Louises Schwänzen gesprochen habe. Sie war um einiges einsichtiger als Mr. Trevelyan und übernahm zumindest einen Teil der Verantwortung für das Verhalten ihrer Tochter, aber sie gab auch Priscilla die Schuld. Sie verlangte von mir, die Mädchen zu trennen, aber ich machte ihr klar, dass das gar nichts bewirken würde, solange sie so nahe beieinander wohnten.«
    »Wie nahe? Wir wissen, dass die Burtons in der Mullin Street wohnten, aber die Adresse der Trevelyans konnten wir nicht ausfindig machen.«
    »Wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, wohn-
    ten sie in der Lacey Street.«
    »Zwei Straßen weiter also«, sagte George, während sie sich eine Notiz machte. »Wissen Sie, welche Nummer?«, fragte sie.
    Hilda Brett schüttelte bedauernd den Kopf. »Es ist lange her.«
    »Hatte Mrs. Burton denn Recht?«, hakte Jonathan nach. »War Priscilla in

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