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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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sämtliche Erfahrungen … Welch ein Jammer, daß Nezahualpili mir nur alte Dienerinnen mit nichtssagenden Gesichtern zugeteilt hat. Ich denke, ich werde Etwas Köstliches eine Zeitlang auf Abruf für mich bereit halten.«
    Das zu hören, war ich froh, wußte ich doch, welches Schicksal dieser Frau sonst sehr rasch geblüht hätte. Das Mädchen reichte mir die Zeichnungen zurück, streckte sich dann und gähnte wollüstig. »Weißt du was. Hole!? Ich glaube wahrhaftig, das war das beste, besser als alles, was ich seit dem alten Huactéca-Ding genossen habe, mit dem ich mich zu ergötzen pflegte.«
    Mir wollte das durchaus einleuchten, als ich in meine eigenen Gemächer hinüberging. Eine Frau sollte sich wirklich besser darauf verstehen, auf dem Körper einer anderen Frau zu spielen als irgendein Mann. Nur eine Frau konnte genau über die empfindlichsten der verborgenen und reaktionsfähigen Zonen und Vertiefungen ihres eigenen Körpers, und damit des Körpers einer jeden anderen Frau, Bescheid wissen. Woraus folgerte, daß ein Mann seine Fähigkeiten auf diesem Gebiet verbessern sollte und sowohl seine eigene Lust als auch die einer jeden Bettgenossin steigern könnte, wenn er sich in eben diesen Dingen auskennt. Ich verbrachte viel Zeit damit, mich in die Zeichnungen zu vertiefen und mir genau all das zu vergegenwärtigen, was ich auf den Bildern nicht hatte wiedergeben können.
    Ich war nicht stolz auf die Rolle, die ich bei der Erniedrigung von Etwas Köstlichem gespielt hatte, habe andererseits jedoch immer gefunden, daß man versuchen sollte, auch noch aus den beklagenswertesten Vorkommnissen, in die man verwickelt wird, Nutzen zu ziehen.

    Ich will nicht behaupten, daß die Vergewaltigung von Etwas
    Köstlichem das beklagenswerteste Ereignis war, dessen ich Zeuge in meinem Leben war. Ein weiteres schreckliches Geschehen erwartete mich, als ich zum Ochpanitztli-Fest heimfuhr nach Xaltócan.
    Der Name des Festes bedeutet »Fegen der Straße« und bezieht sich auf die religiösen Riten, die gefeiert wurden, um zu gewährleisten, daß die kommende Maisernte gut ausfiel. Das Fest wurde in unserem elften Mond gefeiert, was etwa der Mitte eures August entspricht, und bestand aus verschiedenen Feiern, die ihren Höhepunkt fanden in der Darstellung der Geburt des Maisgottes Centéotl. Bei dieser Zeremonie bestimmten ausschließlich die Frauen; Männer, selbst die meisten Priester, waren dabei nichts weiter als Zuschauer.
    Anfangen tat es damit, daß die ehrbarsten und tugendhaftesten Xaltócaner Frauen und Witwen mit Besen, die eigens aus Federn gebunden worden waren, sämtliche Tempel und andere heilige Stätten auf der Insel fegten. Danach sangen und tanzten ausschließlich Frauen unter der Leitung unserer weiblichen Tempelhelferinnen und machten in dieser Nacht des Höhepunktes Musik. Eine Jungfrau, die unter den Mädchen der Insel ausgewählt wurde, spielte die Rolle von Teteoinan, der Mutter aller Götter. Höhepunkt der Nacht war die Vorführung, die sie oben auf der Tempelpyramide gab – ganz allein, ohne männlichen Partner –, wobei sie so tat, als werde sie entjungfert und geschwängert, dann die Geburtswehen durchmache und zuletzt das göttliche Kind zur Welt bringe. Danach wurde sie von Frauen getötet, von Bogenschützinnen, die selbiges mit Ernst und Hingabe, gleichwohl jedoch ohne großes Können taten, so daß sie für gewöhnlich einen häßlichen Tod und einen in die Länge gezogenen Todeskampf hatte.
    Selbstverständlich wurde im letzten Augenblick immer jemand anders untergeschoben, denn von unseren eigenen Jungfrauen opferten wir nie eine, es sei denn, sie stellte sich aus einem besonderen Grunde freiwillig zur Verfügung. Es starb also nicht wirklich die Jungfrau, welche die Rolle der Teteoinan gespielt hatte, sondern irgendeine entbehrliche Sklavin oder Gefangene von einem anderen Volk.
    Nachdem sie, von zahllosen ungeschickt abgeschossenen Pfeilen verletzt, zerfetzt und durchbohrt endlich tot war, traten zum erstenmal einige Priester auf den Plan. Sie kamen aus dem Pyramidentempel, in dem sie sich verborgen hatten, und schleiften den Leichnam – ihrer schwarzen Gewänder wegen fast immer noch unsichtbar – in den Tempel hinein. Dort zogen sie ihm von einem Schenkel rasch die Haut ab. Ein Priester stülpte sich diese spitz zulaufende Kappe über den Kopf und kam unter plötzlich anhebender lauter Musik und Gesang aus dem Tempel herausgehüpft. Der junge Maisgott Centéotl war geboren. Er

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