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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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womöglich kostbareres Beutestück gewesen als – wie es sich herausstellten sollte – der Dolch aus dem harten Metall. Unsere Mexíca-Schmiede untersuchten ihn mit größter Gründlichkeit, kratzten tief daran herum, nahmen Feilspäne davon und gelangten zuletzt zu dem Schluß, daß es sich um eine Mischung aus geschmolzenem Kupfer und geschmolzenem Zinn handelte. Doch so viele Versuche sie auch machten, sie kamen nie hinter das richtige Mischungsverhältnis, oder die richtige Temperatur beim Mischen oder irgend etwas anderes – kurz, sie schafften es nie, das Metall nachzumachen.

    Als wir aus Michihuácan heimkehrten, waren Zyanya und ich seit rund sieben Jahren Mann und Frau und galten in den
    Augen unserer Freunde gewiß als altes Ehepaar; wir selbst, sie und ich, betrachteten unser Leben als festgelegt und gegen jede Veränderung und jede Unterbrechung gefeit; dabei waren wir glücklich und zufrieden miteinander und wollten gar nichts anderes. Die Götter jedoch wollten es anders, und Zyanya ließ es mich auf ihre Weise wissen:
    Eines Nachmittags hatten wir der Ersten Dame in ihrem Palast einen Besuch abgestattet. Beim Hinausgehen sah ich auf einem Gang die Milchtierfrau, welche wir aus Tzintzuntzani mitgebracht hatten. Ich vermute, daß Ahuítzotl sie als einfache Dienerin im Palast leben ließ, doch diesmal war ich es, der in der Erwartung, daß Zyanya darüber lachen würde, irgendeine witzige Bemerkung über seine »Amme« machte. Doch statt zu lachen, erklärte sie mit einer Schärfe, wie ich sie sonst gar nicht an ihr kannte.
    »Záa, du solltest keine üblen Witze über Milch machen. Über Muttermilch. Und über Mütter ganz allgemein.«
    Ich sagte: »Wenn es dich kränkt, ganz gewiß nicht. Aber warum sollte es dich kränken?«
    Ein wenig verlegen, wohl auch bänglich und übervorsichtig sagte sie:
    »Irgendwann um die Jahreswende werde ich … werde ich … selbst ein Milchtier sein.«
    Ich starrte sie an. Es brauchte eine Weile, ehe ich begriff, doch noch ehe ich etwas dazu sagen konnte, fügte sie hinzu: »Ich vermute es schon seit einiger Zeit, aber erst vorgestern hat der Arzt es mir bestätigt. Ich habe mir den Kopf zerbrochen, wie ich es dir sanft und liebevoll beibringen könnte. Und jetzt« – sie schniefte unglücklich – »jetzt platze ich einfach damit heraus. Záa, wohin gehst du? Záa, bleib hier!«
    Ich hatte mich zwar würdelos in Trab gesetzt, doch einzig und allein, um einen Tragstuhl des Palastes zu besorgen, damit sie den Weg zurück in unser Haus nicht zu Fuß zurücklegen müsse. Sie lachte und sagte: »Das ist doch lächerlich!« als ich darauf bestand, sie unbedingt in die Sitzkissen heben zu wollen. »Aber bedeutet das, daß du dich freust, Záa?«
    »Mich freue?« rief ich aus. »freue?«
    Daheim setzte Türkis ein besorgtes Gesicht auf, als sie sah, daß ich der protestierenden Zyanya die wenigen Stufen hinaufhalf. Ich jedoch schrie sie an: »Wir bekommen ein Baby!«, woraufhin sie einen kleinen Freudenschrei ausstieß. Daraufhin kam Kitzlig herbeigelaufen und ich befahl: »Kitzlig und Türkis, macht euch augenblicklich an die Arbeit und reinigt gründlich die Kinderkammer! Trefft alle nötigen Vorbereitungen! Lauft und kauft alles, was man braucht! Eine Wiege. Blumen. Stellt überall Blumen auf!«
    »Záa, wirst du jetzt wohl still sein?« sagte Zyanya halb belustigt, halb verlegen. »Es wird noch etliche Monde dauern! Das mit der Kammer hat Zeit.«
    Doch die beiden Sklavinnen waren bereits gehorsam und frohlockend die Treppe hinaufgerannt. Und mich über ihre Proteste hinwegsetzend, führte ich auch Zyanya hinauf und bestand darauf, daß sie sich nach dem anstrengenden Besuch im Palast ausruhte. Dann ging ich nach unten und genehmigte mir zur Feier des Tages einen Becher Octli und eine Picietl, setzte mich im Dämmerlicht nieder, saß da und kostete meine Freude ganz allein für mich aus.
    Nach und nach legte sich mein Überschwang, gab ich mich ernsteren Überlegungen hin, und allmählich ging mir das eine oder andere auf, warum Zyanya gezaudert hatte, mir mitzuteilen, was um die Jahreswende geschehen sollte. Mit den Fingern zurückrechnend, kam ich zu dem Schluß, daß sie unser Kind in jener Nacht in Yquingares Palast empfangen haben mußte, worüber ich schmunzeln mußte. Zweifellos hatte diese Tatsache Zyanya einigermaßen in Verlegenheit gebracht. Gewiß wäre es ihr lieber gewesen, das Kind wäre unter weniger aufregenden Umständen gezeugt worden. Nun, dachte

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