Der Azteke
gewachsen, daß die Übervölkerung in den Gebieten des Dreibunds unerträglich geworden war. Am meisten litt selbstverständlich Tenochtítlan darunter, und zwar einfach deshalb, weil die Insel sich nicht weiter ausdehnen konnte. Das ist der Grund, warum, als Xoconóchco dem Reich einverleibt wurde, so viele Stadtbewohner ihre Familien sowie ihr bewegliches Hab und Gut nahmen und dorthin zogen, um sich dort anzusiedeln. Diese freiwillige Auswanderung gab dem Uey-Tlatoáni den Anstoß dazu, andere gleichfalls zum Wegziehen zu bewegen.
Mittlerweile war offenkundig, daß die Garnison von Tapáchtlan Feinde für immer davon abhalten würde, Raubzüge nach Xoconóchco hinein zu unternehmen, und so wurde Motecuzóma der Jüngere von seiner Aufgabe dort entbunden. Wie ich bereits erklärt habe, hatte Ahuítzotl gute Gründe, seinen Neffen nicht in allzu großer Nähe um sich haben zu wollen. Gleichwohl war er gewitzt genug, sich das erwiesene Organisations -und Verwaltungstalent des Mannes weiterhin nutzbar zu machen. Als nächstes schickte er Motecuzóma daher nach Teloloápan, ein zwischen Tenochtítlan und dem Südmeer gelegenes Dorf, nicht größer als ein Fliegendreck, und befahl ihm, nach dem Vorbild von Tapáchtlan eine weitere befestigte und blühende Stadt daraus zu machen.
Um dazu auch in der Lage zu sein, wurde Motecuzóma ein stattliches Heer und eine gleichfalls stattliche Schar von Gemeinfreien unterstellt. Bei letzteren handelte es sich um Familien und Einzelpersonen, von denen nicht bekannt ist, ob sie mit dem Leben in Tenochtítlan oder Umgebung zufrieden waren oder nicht; auf jeden Fall gehorchten sie, als der Verehrte Sprecher befahl: »Ihr habt hinzugehen!« Und als Motecuzóma ihnen in und um Teloloápan nicht gerade geringe Mengen an Land zuwies, ließen sie sich alle unter seiner Verwaltung dort nieder, um aus dem armseligen kleinen Dorf eine blühende Stadt zu machen.
Nachdem die Garnison in Teloloápan feste Unterkünfte bekommen hatte und die Stadt imstande war, sich aus eigener Kraft zu ernähren, wurde Motecuzóma der Jüngere abermals seines Postens entbunden und beauftragt, das gleiche noch einmal woanders zu wiederholen. Ahuítzotl schickte ihn von einem kleinen Ort zum anderen: Otzóman, Alahuítzlan – ich weiß nicht mehr, wie sie alle heißen. Auf jeden Fall lagen sie jedoch alle an den fernsten Grenzen des Dreibunds. Als diese abgelegenen Kolonien sich vermehrten und jede von ihnen wuchs, bewirkten sie drei Dinge, die Ahuítzotl alle wohlgefällig waren. Sie nahmen mehr und mehr von dem Bevölkerungsüberschuß unseres Seengebietes auf – aus Texcóco, Tlácopan und anderen am See gelegenen Städten genauso wie aus Tenochtítlan. Sie bildeten für uns Mexíca starke Außenposten an den Grenzen. Und außerdem hielt der ständige Kolonisationsprozeß Motecuzóma beschäftigt und fern von jeder Möglichkeit, Ränke gegen seinen Onkel zu spinnen.
Freilich, Auswanderung und Zwangsumsiedlung vermochten nur der Bevölkerungszunahme von Tenochtítlan Einhalt zu gebieten; es zogen nie genug Menschen fort, um die Zahl derer, die sich dort gegenseitig bedrängten, zu vermindern. Das Hauptbedürfnis der Stadt bestand darin, mehr süßes Wasser zu bekommen. Die Wasserversorgung war von Motecuzóma dem Ersten einigermaßen sichergestellt worden, als er vor über einem Schock Jahre den Aquädukt von den Süßwasserquellen von Chapultépec herüber bauen ließ, um die gleiche Zeit, da er den Großen Damm baute, um die Stadt vor den Überflutungen zu schützen, welche der Wind hervorrief. Doch das Süßwasser von Chapultépec ließ sich nicht einfach bewegen, reichlicher zu fließen, bloß weil man mehr Wasser brauchte. Das war erwiesen: eine Reihe von Priestern und Zauberern hatte jedes Mittel eingesetzt – doch nichts hatte gefruchtet.
Daraufhin beschloß Ahuítzotl, eine neue Wasserquelle zu finden. Er schickte diese selben Priester und Zauberer und einige wenige von den Weisen Männern seines Staatsrats aus, andere Gebiete des nahegelegenen Festlands danach abzusuchen. Durch welches Mittel der Weissagung oder des Ahnungsvermögens auch immer – sie stießen jedenfalls auf eine bislang unentdeckt gebliebene Quelle, und der Verehrte Sprecher plante augenblicklich den Bau eines neuen Aquädukts. Da der neuentdeckte Quell in der Nähe von Coyohuácan wesentlich reichlicher sprudelte als der von Chapultépec, plante Ahuítzotl sogar, Springbrunnen im Herzen Der Einen Welt damit zu speisen.
Aber
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