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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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zwanzig – ja, mit zwanzig, würde ich sagen – ist ein Mädchen dann schöner als sie es je zuvor war oder je wieder werden wird.«
    »Ich weiß«, sagte ich. »Du warst zwanzig, als ich mich in dich verliebte und dich heiratete. Und du bist seither nicht um einen Tag gealtert.«
    »Schmeichler und Lügner«, sagte sie, lächelte freilich dabei. »Ich habe Krähenfüße an den Augen, und meine Brüste sind nicht mehr so fest wie damals, und auf meinem Bauch sieht man Schwangerschaftsstreifen. Und …«
    »Das macht nichts«, sagte ich. »Deine Schönheit mit zwanzig hat einen derartigen Eindruck auf mich gemacht, daß er sich mir unauslöschlich eingegraben hat. Ich werde dich nie anders sehen, selbst wenn eines Tages irgendwelche Leute zu mir sagen sollten: ›Du Narr, was du siehst, ist ein altes Weib.‹ Ich werde ihnen nicht glauben, das kann ich einfach nicht.«
    Ich hielt inne, um einen Augenblick nachzudenken, doch dann sagte ich in ihrer Muttersprache: »Rizalazi Zyanya chuüpa chii, chuüpa chii zy-anya« – eine Art Wortspiel, um mehr oder weniger zu sagen: »Sich Immer mit zwanzig vorzustellen, macht sie für immer zur Zwanzigjährigen.«
    Zärtlich fragte sie: »Zyanya?«
    Und ich bestätigte ihr: »Zyanya.«
    »Das ist schön«, sagte sie mit verschleierten Augen, »mir vorzustellen, daß ich, solange ich bei dir bin, immer ein Mädchen von zwanzig Jahren sein werde. Oder selbst dann, wenn wir uns eines Tages voneinander trennen müßten. Wo immer du in der Welt sein wirst, ich werde immer noch ein Mädchen von zwanzig Jahren sein.« Sie zwinkerte ein paarmal, bis ihre Augen wieder hell strahlten. Dann lachte sie und sagte: »Ich hätte es vorhin schon sagen sollen, Záa – du bist nicht wirklich häßlich.«
    »Wirklich häßlich«, sagte meine geliebte und zärtliche Tochter.
    Darüber mußten wir beide lachen, und damit war dieser verzauberte Augenblick vorbei. Ich nahm meinen Schild auf und erklärte: »Ich muß gehen.« Zyanya gab mir zum Abschied einen Kuß, und ich verließ das Haus.
    Es war noch sehr früh am Tag. Am Ende unserer Straße kamen die Lastkähne durch den Kanal, welche die Abfälle einsammelten. Die Beseitigung dieses Abfalls fiel unter die niedrigsten aller Arbeiten in Tenochtitlan, und nur die Niedrigsten und Unglücklichsten aller waren damit beschäftigt – hoffnungslose Krüppel, unheilbare Trinker und dergleichen. Ich wandte mich von dem niederdrückenden Anblick ab und ging in die andere Richtung hügelan bis zum Hauptplatz und war schon eine ganze Weile gegangen, da hörte ich Zyanya meinen Namen rufen.
    Ich drehte mich um und hob meinen Topas ans Auge. Sie war aus der Haustür herausgetreten, um mir zum Abschied noch einmal zuzuwinken und etwas zuzurufen, ehe sie wieder hineinging. Es konnte etwas sein, was Frauen interessiert, wie etwa: »Erzähl mir, was die Erste Dame angehabt hat.« Oder etwas, wie Ehefrauen es ihren Männern ans Herz legen: »Paß auf, daß du nicht zu naß wirst.« Oder etwas, was aus dem Herzen kam: »Vergiß nicht, daß ich dich liebe.« Was immer es war, ich verstand es nicht, denn ein Wind kam auf, ein Wind, welcher ihre Worte hinwegwehte.

    Da der Quell von Coyohuácan irgendwo an einer Stelle auf dem Festland entsprang, die höher lag als die Straßen von Tenochtítlan, kam der Aquädukt von dorther mit sanftem Gefalle herunter. Er war um etliches breiter und tiefer als ein Mann mit ausgestreckten Armen reichen kann und war nahezu zweimal Ein Langer Lauf lang. Er traf bei der Feste Acachinánco auf den Damm, bog dort ab und verlief parallel zur Brüstung, welche den Damm säumte, bis hin zur Stadt. Sobald er die Inselstadt erreichte, verzweigte er sich und speiste ein ganzes Netz von kleineren Rinnen sowohl in Tenochtítlan als auch in Tlaltelólco, füllte große Becken, welche an geeigneten Stellen in jedem Viertel gebaut worden waren, und sollte mehrere neu gebaute Springbrunnen auf dem Hauptplatz aufschießen lassen.
    Bis zu einem gewissen Grade hatten Ahuítzotl und seine Baumeister die Warnungen Nezahualpílis beherzigt, der Wasserstrom müsse gelenkt und gebändigt werden können. Dort, wo der Aquädukt auf den Damm stieß, und noch einmal dort, wo er die Insel erreichte, waren Schlitze in die Wandung der Rinne eingegraben worden, in welche feste hölzerne Schotten hineinpaßten. Die Schotten brauchten nur in die Schlitze hinuntergelassen zu werden, um dem Wasserstrom nötigenfalls Einhalt zu gebieten.
    Das neue Bauwerk sollte der

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