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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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beleidigt fühlen.
    Folglich zog ich von Tolócan aus weiter nach Osten, die steilen Hänge hinunter, welche sich von dort bis zum Becken des Sees und den darin liegenden Städten hinunterziehen. Bei meiner Ankunft in Tenochtítlan begab ich mich sogleich in mein Haus, wo ich von den Sklaven Türkis und Stern Sänger sowie meinem Freunde Cozcatl überschwenglich begrüßt wurde und nicht ganz so begeistert von seiner Frau, welche mit Tränen in den Augen sagte: »Jetzt wirst du uns zwingen, unsere geliebte kleine Cocóton herzugeben.«
    Ich erklärte: »Sie und ich, wir werden dich immer lieben, Que-quelmiqui, und ihr könnt einander besuchen, sooft ihr wollt.«
    »Aber es wird doch nicht dasselbe sein, wie sie ganz für sich zu haben.«
    Ich sagte zu Türkis: »Sag dem Kind, sein Vater sei wieder daheim. Bitte es, zu mir zu kommen.«
    Sie kamen Hand in Hand herunter. Mit ihren vier Jahren stand Cocóton immer noch in einem Alter, da Kinder unbekleidet im Haus herumlaufen, und das machte mir die Veränderung, welche mit ihr vorgegangen war, überdeutlich. Ich freute mich, daß sie, wie ihre Mutter es vorausgesagt hatte, immer noch schön war; ja, die Ähnlichkeit ihrer Züge mit denen ihrer Mutter trat womöglich noch mehr zutage als früher. Aber sie war nicht mehr ein formlos-pummeliges Kleinkind mit zu kurzen Gliedmaßen, sondern vielmehr deutlich als kleines Menschenkind zu erkennen, das richtige Arme und Beine hatte, welche in schönem Verhältnis zu ihrer sonstigen Körpergröße standen. Ich war zwei Jahre lang fortgewesen, eine Zeitspanne, die ein Mann Mitte Dreißig bedenkenlos verschwenden kann. Doch war das die Hälfte des Lebens meiner Tochter, in welcher diese wunderbarerweise von einem Baby zu einem bezaubernden kleinen Mädchen herangewachsen war. Plötzlich tat es mir leid, nicht Zeuge ihres Erblühens gewesen zu sein, und selbiges muß sich auf unvergleichlich wunderbare Weise von Augenblick zu Augenblick sichtbarlich vollzogen haben wie bei einer Wasserlilie, welche sich im Zwielicht entfaltet. Ich machte mir Vorwürfe, daß ich mir das hatte entgehen lassen, und schwor mir insgeheim, es nicht wieder zu tun.
    Türkis stellte uns einander mit stolzer Gebärde vor: »Meine kleine Herrin Ce-Malinali, genannt Cocóton. Das hier ist dein endlich heimgekehrter Tete Mixtli. Begrüße ihn hochachtungsvoll, wie es dich gelehrt worden ist.«
    Zu meiner freudigen Überraschung ließ Cocóton sich anmutig auf die Knie nieder, um die Geste des Erdeküssens vor mir zu vollführen. In dieser knienden Haltung verharrte sie, bis ich sie beim Namen rief. Dann winkte ich sie zu mir heran, sie bedachte mich mit ihrem bezaubernden Grübchenlächeln, kam in meine Arme geflogen, gab mir einen schüchternen, feuchten Kuß und sagte: »Tete, ich bin glücklich, daß du von deinen Abenteuern wieder heimgekehrt bist.«
    Ich sagte: »Und ich freue mich darüber, daß ich hier von einer kleinen Dame erwartet werde, die weiß, was sich gehört.« Zu Kitzlig gewandt, sagte ich: »Ich danke dir, daß du dein Versprechen eingelöst hast, du würdest nicht zulassen, daß sie mich vergißt.«
    Cocóton löste sich aus meiner Umarmung, blickte sich suchend um und sagte: »Ich habe aber auch meine Tene nicht vergessen. Sie möchte ich auch begrüßen.«
    Den anderen im Raum gefror das Lächeln auf den Lippen, und sie wandten unauffällig den Blick ab, während ich tief Atem holte und sagte:
    »Voller Trauer muß ich dir sagen, kleines Mädchen, daß die Götter die Hilfe deiner Mutter bei einigen ihrer eigenen Abenteuer benötigt haben. An einem fernen Ort, wohin ich ihr nicht folgen konnte, an einem Ort, von dem sie nicht zurückkehren kann. Man kann den Göttern ein solches Ansinnen nicht abschlagen. Sie wird also nicht wieder heimkehren nach Hause; du und ich, wir müssen mit unserem Leben ohne sie fertig werden. Trotzdem darfst du aber deine Tene nicht vergessen.«
    »Nein«, erklärte das Kind ernsthaft.
    »Doch um sicher zu sein, daß du sie auch wirklich nicht vergißt, schickt Tene dir ein Andenken.« Womit ich eine Halskette hervorholte, welche ich in Tolócan gekauft hatte, rund zwanzig kleine, auf Silberdraht aufgezogene Glühwürmchensteine oder Opale, wie ihr sagt. Ich ließ sie Cocóton kurz in der Hand halten und sich in höchsten Tönen darüber ergehen, dann legte ich sie ihr um den schlanken Hals. Als ich sie nur mit der Opalkette bekleidet dastehen sah, mußte ich lächeln, doch die Frauen hielten vor Entzücken die

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