Der Azteke
Gegenstände zu tiefer Befriedigung – bis wir nach einiger Zeit dahinterkamen, daß die Indianer uns nur zu beschwichtigen trachteten oder sich gar lustig über uns machten. Ob das eine oder das andere, ist nicht von Belang, wären wir doch gleichermaßen außer uns vor Zorn gewesen ob solch schändlichen Betrugs. Offenbar haben unsere eindringlichen Predigten unter den indianischen Handwerkern eine ganze Industrie entstehen lassen: Die eilige Herstellung dieser Figürchen zu dem alleinigen Zweck, daß man sie in scheinbarer Unterwerfung unter unsere Ermahnungen uns bringen und vor unseren Augen zerbrechen könne.
Zu unserem womöglich noch größeren Kummer und Schmach erfuhren wir gleichzeitig, daß zahlreiche echte Idole – will sagen, alte Statuetten, keine nachgemachten neuen – dennoch vor unseren danach fahndenden Mönchen verborgen worden waren. Und wo, meintet Ihr wohl, Sire? In den Fundamenten unserer Schreine und Kapellen und anderen christlichen Bauten, welche von indianischen Bauarbeitern für uns errichtet wurden! Die verschlagenen Wilden glaubten ihre schändlichen Götzenbilder sicher vor jeder Entdeckung, wenn sie sie zum Bau von solchen heiligen Gebäuden verwendeten. Ja, schlimmer noch: Sie glaubten, an solchen Stätten diese verborgenen Ungeheuer weiterhin verehren zu können, wenn sie nach außen hin dem Kreuz, der Heiligen Jungfrau oder einem Heiligen huldigten, welcher dort aufgestellt worden war.
Unser Abscheu angesichts dieser unwillkommenen Enthüllungen wurde einzig dadurch etwas gemildert, daß wir die Genugtuung hatten, unseren Gemeinden sagen zu können, daß der Teufel oder jeder andere Widersacher des Wahren Gottes in der unmittelbaren Nähe eines Christenkreuzes oder anderer Verkörperungen des Glaubens unerhörte Qualen erleide – und es freute uns in gewissem Maße, wenn wir sahen, wie sie sich angesichts dieser Erklärung innerlich wanden. Ohne daß weiter in sie gedrungen werden mußte, gaben die indianischen Bauarbeiter, welche derlei heimliche Verstecke ersonnen, verzagt ihre Idole preis, und zwar mehr, als wir ohne ihre Hilfe jemals hätten aufspüren können.
Nach so vielen Beweisen dafür, daß nur so wenige von diesen Indianern ganz ihrem verblendeten Irrglauben haben entrissen werden können – und das trotz inständigster Bemühungen von unserer und von anderer Seite –, fürchten wir sehr, daß ihnen die Augen durch einen gehörigen Schrecken geöffnet werden müssen, wie weiland Saulus vor den Toren von Damaskus. Vielleicht könnten sie allerdings auch auf sanftere Weise einer sahatio ómnibus geneigt gemacht werden, etwa durch irgendein kleines Wunder, wie jenes, welches ein Schutzpatron dem Fürstentum Catalonien in Aragón Eurer Majestät hat zuteil werden lassen: die wunderbare Auffindung des schwarzen Bildes der Virgen von Montserrat, keine hundert Leguas von unserem eigenen Geburtsort entfernt. Freilich versteht es sich von selbst, daß wir die Gebenedeite Jungfrau nicht darum bitten, gnädig ein weiteres Wunder zu vollbringen oder auch nur jenes eine, in welchem sie sich bereits kundgetan, zu wiederholen …
Wir danken Euer Freigebigen Majestät für das Geschenk, welches mit der jüngst gelandeten Karavelle an uns gelangte, will sagen, für die vielen Rosen-Pfropfreiser aus den Königlichen Gärten, jene zu ergänzen, welche wir ursprünglich mitgebracht haben. Die Pfropfreiser werden gewissenhaft auf die Gärten aller unserer verschiedenen Kirchenbesitztümer aufgeteilt werden. Es mag Euer Majestät interessieren, daß – wiewohl es in diesen Landen zuvor keinerlei Rosen gegeben hat – diejenigen Rosenstöcke, welche wir gepflanzt haben, üppiger gediehen, als wir es je zuvor erlebt haben, nicht einmal in den Gärten Castiliens. Das Klima allhier ist äußerst zuträglich wie in einem ewig währenden Frühling, so daß die Rosen das ganze Jahr über eine Blütenfülle ohnegleichen tragen, selbst in diesen Monaten (es ist Dezember, während wir dieses schreiben), welche dem Kalender zufolge Mittwinter sein sollten. Wir schätzen uns überdies glücklich, einen so überaus fähigen Gärtner wie unseren getreuen Juan Diego zu haben.
Trotz seines Namens ist er ein Indianer, Sire, wie alle unsere Domestiken, und – wie alle unsere Domestiken – (ganz im Gegensatz zu denjenigen, von welchen wir in den Absätzen zuvor gesprochen) beseelt von unwandelbarer Frömmigkeit und Glaubensfestigkeit. Seinen Taufnamen erhielt er vor etlichen Jahren von dem
Weitere Kostenlose Bücher