Der Azteke
Nuü, die sich selbst und ihr Land Tya Nya nannten. Das Land war von uns Mexíca niemals mit Krieg überzogen oder tributpflichtig gemacht worden, denn außer den Erzeugnissen ihres Ackerfleißes gab es dort wenig zu holen. Eigentlich bestanden ihre Reichtümer nur in heißen Mineralquellen, die man ihnen nicht leicht wegnehmen konnte, und außerdem trieben die Tya Nya bereitwillig Handel mit ihren Krügen und Flaschen, die mit dem Wasser aus diesen Quellen gefüllt waren. Zwar schmeckte dieses Wasser abscheulich und roch auch noch schlecht, doch war es seiner Heilkraft wegen sehr gefragt. Und da Ärzte ihren Patienten oft verschrieben, nach Tya Nya zu ziehen und in diesen heißen, übelriechenden Quellen zu baden, lohnte es sich für die Bewohner auch noch, einige recht luxuriöse Herbergen in der Nähe dieser Quellen zu unterhalten. Alles in allem erwartete ich daher keine größeren Schwierigkeiten von einem Volk von Ackerbauern und Herbergswirten.
Zornig Auf Jedermann kehrte am nächsten Tag zurück, um mir Bericht zu erstatten. »Du hattest recht, Ritter Mixtli. Diese Bauerntölpel hatten alle ihre Mahlsteine für die Küche und die Statuen ihrer Lieblingsgötter mitgebracht, statt dasselbe Gewicht an Saatgut und Pinóli-Mehl als Proviant für unterwegs. Sie murrten zwar sehr, aber ich habe sie bewogen, alles, was überflüssig und hinderlich ist, zurückzulassen.«
»Und die Leute selbst, Qualánqui? Steht es zu erwarten, daß die sich als Gemeinwesen einmal selbst versorgen können?«
»Ich glaube, ja. Es sind alles Bauern, aber es sind auch Männer darunter, die als Ziegelstreicher, Maurer, Zimmerleute und dergleichen ihr Handwerk verstehen. Eigentlich beklagen sie sich nur darüber, daß eine Berufsgruppe unter ihnen fehlt.
Man hat ihnen keine Priester zugeteilt.«
Säuerlich erklärte ich: »Ich habe nie von einer Gemeinde gehört, die sich irgendwo angesiedelt hätte, ohne daß nicht plötzlich ein Haufen Priester unter ihnen aufgestanden wäre, die verlangten, ernährt und verehrt zu werden.« Trotzdem meldete ich es an den Palast weiter, und so wurden uns sechs oder sieben frisch gebackene Tlamacázque verschiedener unbedeutenderer Götter zugeteilt, Priester, die noch so jung waren, daß ihre schwarzen Gewänder gerade erst anfingen, von Blut und Schmutz zu starren.
Nochípa, Béu und ich zogen am Vorabend des Tages, an dem es losgehen sollte, über die Dammstraße und verbrachten die Nacht in Ixtapalápan, damit ich die mir anvertrauten Auswanderer in aller Frühe zusammenrufen und mich ihnen vorstellen könne. Es galt nachzuprüfen, ob alle Traglasten gleichmäßig unter allen gesunden Männern, Frauen und älteren Kindern aufgeteilt waren, und dafür zu sorgen, daß wir möglichst frühzeitig aufbrachen. Meine vier alten Kämpen ließen die Tecpanéca Aufstellung nehmen, ich hielt meinen Topas vors Auge und inspizierte sie genau. Daraufhin wurde im Glied verstohlen gelacht, und die Krieger nannten mich hinterher unter sich – wovon ich eigentlich nichts wissen sollte – Mixteloxixtli, eine recht geistreiche Verbindung meines Namens mit anderen Wörtern, welche ich ungefähr mit Urinaugen-Mixtli übersetzen würde.
Die Bauern belegten mich vermutlich mit noch weniger schmeichelhaften Namen, denn sie litten unter zahlreichen Kümmernissen, deren größtes wohl das war, nie vorgehabt oder den Wunsch verspürt zu haben, jemals auszuwandern. Motecuzóma hatte es wohlweislich unterlassen, mir zu sagen, daß es sich nicht um auswanderungsfreudige Freiwillige handelte, sondern um sogenannten Bevölkerungsüberschuß, Menschen also, die irgendwo von den Truppen aufgegriffen und zusammengetrieben worden waren. Mit einiger Berechtigung fanden sie daher, es sei ungerecht sie einfach in die Wildnis zu schicken. Und die Krieger waren nicht minder unglücklich. Sie hatten etwas dagegen, »Kindermädchen« zu spielen, so lange zu marschieren, sich soweit von ihrer Heimat Tlácopan zu entfernen und als Ziel nicht ein ehrenvolles Schlachtfeld vor sich zu haben, sondern langweiligen Garnisonsdienst. Hätte ich nicht meine vier alten Kämpfer mitgebracht, Zucht und Ordnung unter den Kriegern aufrechtzuerhalten, ich fürchte, Ritter Urinauge hätte mit Meuterei oder Desertionen fertigwerden müssen.
Nun, ja. Wie oft habe ich nicht gewünscht, einfach davonlaufen zu können. Die Krieger konnten jedenfalls marschieren. Die Bauern hingegen trödelten, sie verliefen sich, bekamen Blasen an den Füßen und
Weitere Kostenlose Bücher