Der Azteke
Priestern, die bestimmt nicht von feindlichen Stämmen angegriffen werden. Diese Bauernlümmel werden so hart schuften, daß sie abends viel zu müde sein werden und kein heiratsfähiger Mann auch nur den Versuch machen wird, dir schöne Augen zu machen. Auf jeden Fall, Tochter, habe ich beobachtet, daß du durchaus imstande bist, sie in die Schranken zu weisen. Du bist hier sicherer, Nochipa, als unterwegs, und im übrigen bleibe ich ja nicht lange.«
Sie schien jedoch dermaßen enttäuscht, daß ich noch hinzufügte: »Wenn ich wieder da bin, werden wir viel Muße und die ganze Freiheit dieses Landes für uns haben. Ich verspreche dir, daß du dann mehr davon zu sehen bekommen wirst. Nur du und ich, Nochipa – wir werden unbeschwert umherstreifen.«
In ihren Augen leuchtete es auf, und sie sagte: »Ja, das wird sogar noch schöner werden. Nur du und ich. Dann bleibe ich auch bereitwillig hier, Vater. Und abends, wenn die Leute von ihrer Arbeit müde sind, kann ich sie vielleicht ihre Müdigkeit vergessen machen. Ich kann für sie tanzen.«
Selbst ohne die hinderlichen Bauern sollte es mich und Béu und unsere Eskorte von vierundvierzig Tecpanéca-Kriegern fünf weitere Tage kosten, ehe wir die Stadt Teohuacán oder Tya Nya erreichten. So viel weiß ich noch, und ich erinnere mich auch, daß wir sehr gnädig vom Herrscher empfangen wurden, wiewohl ich seinen Namen und den seiner Königin vergessen habe und auch nicht mehr weiß, wie lange wir ihre Gäste waren in dem recht baufälligen Gebäude, das sie Palast nannten. Nicht vergessen habe ich aber die Worte, die er sprach:
»Das Land, welches Ihr besetzt habt, Adlerritter Mixtli, gehört zu unseren fruchtbarsten und angenehmsten Gegenden überhaupt.« Um dann jedoch hastig hinzuzufügen: »Nur können wir keine Leute vom Landbau oder den anderen Beschäftigungen abziehen, es zu bearbeiten. Eure Siedler mögen es bebauen; wir heißen ihre Anwesenheit willkommen. Jedes Volk hat sein Gutes davon, wenn ihm neues Blut zugeführt wird.«
Er sagte noch viel mehr ähnliches Wichtiges und überreichte mir Geschenke im Austausch für jene, welche ich von Motecuzóma mitgebracht hatte. Und ich erinnere mich, daß man uns – meine Männer genauso wie Béu und mich – zu vielen üppigen Gelagen einlud. Wir überwanden uns sogar, jenes faulige Wasser zu trinken, auf welches die Teohuacána so stolz sind, ja, wir schmatzten sogar vernehmlich, um – wider unsere Überzeugung – so zu tun, als fänden wir es köstlich. Auch weiß ich noch, daß niemand merklich die Brauen in die Höhe zog, als ich für Béu und mich um getrennte Schlafkammern bat, wenngleich ich mich blaß daran erinnere, daß sie während einer der Nächte, die wir dort weilten, zu mir in meine Kammer kam. Sie sagte etwas, sie bettelte um etwas – und ich fertigte sie barsch ab –, woraufhin sie mich anflehte. Ich glaube, daraufhin habe ich sie geschlagen … doch jetzt kann ich mich nicht erinnern …
Nein, ehrwürdige Patres, seht mich nicht so an. Es ist keineswegs so, daß mein Gedächtnis mich hier plötzlich im Stich ließe. All diese Dinge sind mir in den vielen Jahren, die seither vergangen sind, unklar geblieben. Und zwar wegen etwas, was hinterher geschah – etwas, was sich so sehr in mein Gedächtnis eingebrannt hat, daß es alle Erinnerungen an das, was vorausging, auslöschte. Ich weiß noch, daß wir uns von unseren Tya Nya-Gastgebern unter vielen gegenseitigen Bekundungen herzlicher Achtung verabschiedeten und die Leute von Tya Nya die Straßen säumten, um uns zuzuwinken; nur Béu schien nicht recht zufrieden mit dem Erfolg unserer Gesandtschaft. Und ich nehme an, daß wir für den Rückweg auch wieder fünf Tage brauchten …
Es herrschte Dämmerung, als wir zurückkehrten und auf der anderen Seite von Yanquitlan auf das Ufer des Flusses stießen. Viel gebaut worden schien während unserer Abwesenheit nicht zu sein. Auch als ich meinen Topas vors Auge hielt, konnte ich nur einige wenige Hütten erkennen, die dort, wo das Dorf entstehen sollte, errichtet worden waren. Wieder schien irgendein Fest gefeiert zu werden, viele Feuer brannten und loderten hoch, obwohl es noch gar nicht ganz Nacht war. Wir schickten uns nicht sofort an, die Furt zu durchqueren, sondern standen da und lauschten den Rufen und dem Lachen auf der anderen Seite des Wassers, denn einen solchen Frohsinn hatten wir von dieser schwerfälligen Gesellschaft noch nie gehört. Dann tauchte ein Mann vor uns aus dem
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