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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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brauchst du nicht zu fürchten. Freu dich für ihn. In meinem ersten Zorn habe ich übereilt gehandelt. Diesem da habe ich einen leichten Tod geschenkt.«
    Zornig Auf Jedermann schrie: »Ihr Männer – vorrücken über den Fluß. Keinen Laut von jetzt an. Kesselt das Dorf ein. Es darf niemand entkommen! Treibt sie alle zusammen und wartet dann auf Befehle! Komm, Mixtli, wenn du meinst, daß es sein muß.«
    »Ich weiß, daß ich es tun muß«, sagte ich und war der erste, der ins Wasser hineinwatete.
    Nochipa hatte davon gesprochen, für die Leute von Yanquitlan tanzen zu wollen, und genau das tat sie jetzt. Aber es war nicht der zurückhaltende und sittsame Tanz, den ich sie immer hatte tanzen sehen. Im rötlichen Dämmer, in dieser Mischung aus Zwielicht und Widerschein des Feuers sah ich, daß sie vollständig unbekleidet war, daß sie ohne jede Anmut tanzte, vielmehr mit unzüchtig gespreizten Beinen, und dabei zwei weiße Knochen überm Kopf schwenkte und gelegentlich damit hinauslangte, um jemand zu berühren, der auf sie zugetanzt kam.
    Wiewohl ich es nicht wollte, hob ich meinen Topas, um sie deutlicher zu sehen. Das einzige, was sie trug, war die Halskette aus Opalen, welche ich ihr geschenkt, als sie vier Jahre alt gewesen war, und der ich an jedem ihrer folgenden acht Geburtstage – den ach so wenigen Geburtstagen –, welche sie seither gefeiert, einen neuen Glühwürmchenstein hinzugefügt hatte. Ihr für gewöhnlich sauber geflochtenes Haar hing ihr wirr und zerzaust um den Kopf. Ihre Brüste waren immer noch feste kleine Hügel und ihr Hinterteil immer noch wohlgeformt, doch zwischen ihren Beinen, wo fast unsichtbar ihr Tipili hätte sitzen sollen, war ein Riß in ihrer Haut, und durch diesen Riß hindurch ragte ein wippender männlicher Tepúli, und ein schlenkernder Olóltin-Sack hing heraus. Die weißen Stecken, welche sie schwenkte, waren ihre eigenen Oberschenkelknochen, doch die Hände, welche sie hielten, waren die eines Mannes, und ihre eigenen, halb abgetrennten Hände baumelten schlaff von seinen Handgelenken herunter.
    Ein Freudenruf entrang sich den Lippen der Leute, als ich in den Kreis derer hineintrat, die umtanzten, was einst meine Tochter gewesen war. Sie war ein Kind gewesen, ein strahlendes Kind, und sie hatten ein Stück Aas aus ihr gemacht. Diese Puppe, welche einst Nochipa gewesen war, kam tanzend auf mich zu, hatte einen schimmernden Knochen erhoben, als ob sie mich segnend damit berühren wolle, ehe sie sich ihrem liebenden Vater in die Arme warf. Das schaurige Wesen kam so nahe, daß ich ihm in die Augen schauen konnte, doch es waren nicht Nochipas Augen. Dann stockten die tanzenden Füße, hörten ganz auf zu tanzen, blieben kurz vor mir stehen, gebannt und zum Stillstand gebracht durch den haßerfüllten, angewiderten Blick, mit dem ich sie bedachte. Und als das tanzende Wesen stillstand, kam auch die durcheinandertanzende und – springende Menge zum Stillstand, legte sich der freudige Lärm, und die Leute standen da und schauten mich und die Krieger, welche den Tanzplatz eingeschlossen hatten, unsicher an. Ich wartete, bis alles still geworden war und man nichts mehr hörte als das Knistern der Freudenfeuer. Ohne mich an jemand im besonderen zu wenden, sagte ich:
    »Ergreift dieses abscheuliche Wesen – aber packt es sanft, denn es ist alles, was von einem einst lebendigen Mädchen übriggeblieben ist.«
    Der kleine Priester in Nochipas Haut zwinkerte ungläubig, dann hatten zwei meiner Krieger ihn gepackt. Die anderen fünf oder sechs Priester drängten sich durch die Menge und erhoben zornig Einspruch gegen meine Unterbrechung der Zeremonie. Ich achtete ihrer nicht und sagte zu den Männern, welche den Gottesdarsteller festhielten:
    »Ihr Gesicht ist von ihrem Körper abgelöst. Nehmt ihm das Gesicht ab – aber geht behutsam damit um – und tragt es ehrfürchtig zu jenem Feuer dort drüben, sprecht ein kleines Gebet für sie, die ihm Schönheit verliehen, und verbrennt es. Bringt mir die Opale, welche sie um den Hals trug.«
    Ich wendete den Blick ab, als sie taten, wie geheißen. Die anderen Priester erregten sich immer mehr, bis Zornig Auf Jedermann sie so fürchterlich anherrschte, daß die Priester genauso verstummten und ergeben dastanden wie die regungslose Menge.
    »Es ist geschehen, Ritter Mixtli«, meldete einer meiner Männer. Er reichte mir die Halskette; einige von den Glühwürmchensteinen waren noch von Nochipas Blut gerötet.
    Ich wandte mich wieder

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