Der Azteke
gibt.«
»Krieger?«
Daraufhin unterbreitete ich Motecuzóma den Gedanken, welchen ich zuvor dem Herrscher von Aztlan schmackhaft gemacht hatte: Daß die erneuerten Familienbande zwischen uns Mexíca und diesen Azteca dem Dreibund etwas geben würden, was er im Augenblick nicht hatte – eine starke Garnison an der Nordwestküste.
Vorsichtig sagte er: »Wenn man an all die vielen Vorzeichen denkt, ist dies vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt, unsere Streitkräfte zu verzetteln, aber ich will weiter darüber nachdenken. Und eines ist sicher. Selbst wenn er jünger ist als du und ich, unser Ahne verdient einen besseren Titel als den eines Tlatocapili. Ich werde zumindest das – tzin an seinen Namen anhängen.«
So verließ ich den Palast an diesem Tage mit dem nicht unangenehmen Gefühl, daß, wenn schon nicht ich selbst, so doch ein anderer Mixtli fortan den edlen Namen Mixtzin tragen sollte. Wie sich herausstellte, ging Motecuzóma auf alle meine Vorschläge ein. Unser Besucher verließ die Stadt und trug fürderhin den klangvollen Titel Azteca Tlani-Tlatoáni oder Geringerer Sprecher der Azteca. Außerdem nahm er einen beträchtlichen Trupp bewaffneter Krieger und eine Anzahl von Kolonistenfamilien mit, die eigens ihrer besonderen Fähigkeiten im Häuser- und Festungsbau wegen ausgesucht worden waren.
Ich führte, während er in Tenochtítlan weilte, nur eine einzige kurze Unterhaltung mit meinem Namensvetter. Er dankte mir überschwenglich für alles, was ich dazu beigetragen hatte, daß er willkommen geheißen, geadelt und zum Bündnispartner des Dreibunds gemacht worden war. Dann fügte er noch hinzu:
»Da ich jetzt das – tzin an meinen Namen anhängen darf, gilt das auch für den Namen meiner gesamten Familie und meiner Nachkommen, selbst jener, die von einer nicht so eng mit uns verbundenen Nebenlinie abstammen. Du mußt unbedingt wieder nach Aztlan kommen, Bruder, dann wirst du eine kleine Überraschung erleben. Du wirst mehr vorfinden als eine neue und schönere Stadt.«
Damals dachte ich, er hätte vor, eine kleine Feier zu veranstalten, und mich zu einer Art Ehrengebieter der Azteca zu machen. Doch bin ich nie wieder in Aztlan gewesen, und so weiß ich nicht, was in den Jahren nach Mixtzins Rückkehr aus der Stadt geworden ist. Was den prachtvollen Mondstein betrifft, so zauderte Motecuzóma wie gewöhnlich und konnte sich zu keinem Entschluß durchringen, wo im Herzen Der Einen Welt er am besten aufgestellt werden solle. So lag der Stein, als ich ihn das letztemal sah, immer noch flach auf dem Pflaster des Großen Platzes und ist heute genauso verschüttet und verloren wie der Sonnenstein.
Es sollte jedoch noch etwas geschehen, und dieses Ereignis ließ mich und die meisten anderen Menschen rasch den Besuch der Azteca vergessen, daß sie den Mondstein mitgebracht hatten und Pläne hätten, Aztlan zu einer großen Stadt am Meer auszubauen. Ein Bote kam über den See aus Texcóco; er trug den weißen Umhang der Trauer. Die Nachricht, welche er brachte, kam nicht völlig unerwartet, da der Verehrte Sprecher Nezahualpíli mittlerweile ein sehr alter Mann geworden war. Gleichwohl erfüllte es mein Herz mit großer Trauer, als ich hörte, daß mein frühester Gönner und Beschützer gestorben sei.
Ich hätte zusammen mit all den anderen Adlerrittern nach Texcòco gehen können, gemeinsam mit all den anderen Mexíca-Edelleuten und Höflingen, welche über den See fuhren, um der Beisetzung von Nezahualpíli beizuwohnen, und welche entweder gleich dort blieben, oder aber einige Zeit später noch einmal über den See hinüberfuhren, um der Krönung des Kronprinzen Ixtlil-Xochitl zum neuen Verehrten Sprecher der Acólhua beizuwohnen. Ich zog es jedoch vor, ohne Aufsehen und Gepränge hinzugehen, in schlichter Trauerkleidung und als privater Bürger. Ich ging als Freund der Familie und wurde von meinem alten Schulkameraden Prinz Huexotl empfangen, der mich genauso herzlich begrüßte, wie er es das erstemal vor dreiunddreißig Jahren getan, und zwar mit dem Namen, welchen ich damals getragen hatte: »Willkommen, Kopf Neiger!« Ich konnte nicht umhin zu bemerken, daß mein alter Schulkamerad Weide in der Tat alt geworden war; ich bemühte mich, mir nicht anmerken zu lassen, was ich empfand, als ich sein ergrautes Haar und sein verrunzeltes Gesicht sah; in meiner Erinnerung war er ein ranker junger Prinz, welcher mit seinem Lieblingshirsch im grünen Park spazierenging. Doch dann dachte ich beklommen: Er
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