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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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nicht von Furcht geschlagen, fassungslos oder mit irgendwelchen anderen größeren Gefühlen. Etliche Mitglieder seines Staatsrats, welche im Raum umherstanden, schienen eher belustigt. Ich selbst muß ziemlich blöde dreingeschaut haben, als er sagte:
    »Dieser Wahnsinnige nennt sich Tliléctic-Mixtli.«
    Dann ging mir auf, daß er nicht von mir sprach, sondern zu mir und auf einen finster dreinschauenden, abgerissen gekleideten Fremden zeigte, welcher von zwei Palastwachen festgehalten wurde. Ich hob meinen Sehkristall, um ihn genau ins Auge fassen zu können, und erkannte, daß es sich bei dem Mann nicht um einen Fremden handelte, lächelte erst ihm zu, dann Motecuzóma und sagte:
    »Er heißt wirklich Tliléctic-Mixtli, Hoher Gebieter. Der Name Dunkle Wolke ist keineswegs selten unter …«
    »Du kennst ihn!« unterbrach Motecuzóma mich oder beschuldigte er mich. »Vielleicht ein Verwandter von dir?«
    »Vielleicht auch von Euch, Verehrter Sprecher, und möglicherweise nicht minder von Adel als Ihr.«
    »Du wagst es, mich mit diesem dreckigen und einfältigen Bettler zu vergleichen?« sagte er aufbrausend. »Als meine Palastwachen ihn ergriffen, verlangte er, bei mir zur Audienz vorgelassen zu werden, er sei ein Würdenträger, der uns besuchen komme. Aber sieh ihn dir an! Der Mann ist wahnsinnig!«
    Ich erklärte: »Nein, Hoher Gebieter. Dort, wo er herkommt, ist er genau das gleiche wie Ihr, nur, daß die Azteca nicht den Titel Verehrter Sprecher benutzen.«
    »Was?« sagte Motecuzóma verblüfft.
    »Der vor Euch steht, ist der Tlatocapíli Tliléctic-Mixtli von Aztlan.«
    »Von was?« fragte Motecuzóma erstaunt.
    Ich bedachte meinen Namensvetter nochmals mit einem Lächeln. »Hast du den Mondstein mitgebracht?«
    Er nickte kurz und zornig und murmelte vernehmlich: »Nachgerade wünschte ich, ich hätte es nicht getan. Aber der Stein liegt unten auf dem Platz, bewacht von den Männern, welche die Mühsal überlebt haben, ihn hierherzurollen, zu ziehen und mit dem Floß zu transportieren …«
    Einer der Wachen, die ihn festhielten, murmelte vernehmlich: »Dieser verfluchte große Stein hat das halbe Pflaster zwischen hier und dem Damm von Tepeyáca aufgerissen.«
    Der Neuankömmling fuhr fort: »Meine Männer und ich sind halb tot vor Erschöpfung und Hunger. Wir haben uns hier ein anderes Willkommen erhofft. Zwar hätten wir uns mit einfacher Gastfreundlichkeit zufriedengegeben. Aber man hat mich einen Lügner genannt, bloß weil ich meinen eigenen Namen genannt habe.«
    Ich wandte mich wieder Motecuzóma zu, welcher ihn immer noch ungläubig anstarrte. Ich sagte: »Wie Ihr seht, Hoher Gebieter, ist der Herr von Aztlan selbst imstande, seinen Namen zu erklären. Und auch, welchen Rang er bekleidet, wo er herkommt und alles andere, was Ihr vielleicht über ihn erfahren möchtet. Ihr werdet das Náhuatl der Azteca ein wenig altertümlich finden, doch ist es durchaus zu verstehen.«
    Mit einem Ruck kam Leben in Motecuzóma, und er brachte Entschuldigungen vor und begrüßte meinen Namensvetter. »Wir werden uns eingehend unterhalten, Herr von Aztlan, wenn Ihr gegessen und geruht habt« – und gab den Wachen und seinen Beratern Befehl, die Besucher zu verköstigen, sie einzukleiden und unterzubringen, wie es hohen Würdenträgern gebühre. Mir gab er zu verstehen, ich sollte bleiben, als die Menge den Thronsaal verließ, und dann sagte er:
    »Ich kann es kaum glauben. Ein Erlebnis, das mich genauso umwirft, als würde ich plötzlich meinem eigenen legendären Großvater Motecuzóma begegnen. Oder als träte eine Steinfigur plötzlich aus einem der Tempelfriese heraus. Man stelle sich das einmal vor! Ein echter Aztécatl, zum Leben erwacht.« Doch dann setzte sein angeborener Argwohn sich wieder bei ihm durch, und er fragte: »Aber was will er hier?«
    »Er bringt ein Geschenk, Hoher Gebieter, wie ich es ihm vorschlug, als ich Aztlan wiederentdeckte. Wenn Ihr Euch hinunter begebt auf den Großen Platz und den Stein Euch anseht, werdet Ihr es, wie ich annehme, viele zerbrochene Pflastersteine wert finden.«
    »Das werde ich tun«, sagte er und fügte immer noch mißtrauisch hinzu: »Aber er will doch gewiß etwas dafür haben.«
    Ich sagte: »Ich meine auch, daß der Mondstein es wert ist, daß man dem Geber einige hochklingende Titel verleiht. Und ein paar Federumhänge, edelsteinbesetzten Zierat, damit er seinem neuen Rang entsprechend gekleidet sei. Und vielleicht, daß man ihm ein paar Mexíca-Krieger

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