Der Azteke
darüber zerbrochen, ob diese weißen Männer nun Götter oder die Toltéca-Gefolgschaft der Götter sind, und deshalb haben wir beschlossen, eine Probe aufs Exempel zu machen. Wir haben uns anerboten, ihrem Anführer Cortés zu opfern, für ihn einen Xochimiqui zu töten, vielleicht irgendeinen entbehrlichen Edelmann der Totonáca, doch hat ihn dieses Ansinnen sehr in Zorn versetzt. Er sagte: ›Ihr wißt sehr wohl, daß der gütige Quetzalcóatl niemals Menschenopfer gefordert oder zugelassen hat. Warum sollte ich das tun?‹ Und jetzt wissen wir nicht, was wir davon halten sollen. Woher sollte dieser Fremde von der Gefiederten Schlange wissen, wenn er nicht …?«
Ich stieß ein verächtliches Schnauben aus. »Das Mädchen Ce-Malinali könnte ihm diese alten Legenden von Quetzalcóatl erzählt haben. Schließlich wurde sie irgendwo an dieser Küste geboren, von wo der Gott abgereist ist.«
»Bitte, Mixtzin, nenn sie nicht bei diesem gewöhnlichen Namen«, sagte einer von den Edelleuten offensichtlich nervös. »Sie legt allergrößten Wert darauf, Malintzin genannt zu werden.«
Belustigt sagte ich: »Dann hat sie es weit gebracht seit ich ihr auf einem Sklavenmarkt begegnet bin.«
»Nein«, sagte mein Mit-Sendbote. »Sie war von Adel, ehe sie Sklavin wurde. Sie war die Tochter eines Edelmanns und einer Edelfrau der Coatlicamac. Als ihr Vater starb und ihre Mutter sich wiederverheiratete, hat der neue Ehemann sie aus Eifersucht und Niedertracht in die Sklaverei verkauft.«
»Wahrhaftig«, erklärte ich trocken. »Selbst ihre Phantasie ist besser geworden, seit ich sie kennenlernte. Aber sie hat tatsächlich gesagt, sie würde alles tun, um ihren Ehrgeiz zu befriedigen. Ich lege euch allen sehr ans Herz, sehr vorsichtig zu sein, was ihr redet, sobald die Dame Malináli in der Nähe ist.«
Ich glaube, es war am nächsten Tag, daß Cortés den Herren seine wunderbaren Waffen und die militärische Tüchtigkeit seiner Leute vorführte. Selbstverständlich stand ich unter der Menge unserer Träger und der einheimischen Totonáca, die sich gleichfalls einfanden, um zuzusehen. Diese Gemeinfreien waren zu Tode erschrocken von dem, was sie sahen; sie hielten immer wieder die Luft an und murmelten: »Ayya!« und riefen oft ihre Götter an. Die Abgesandten der Mexíca bewahrten undurchdringliche Mienen, gleichsam als seien sie nicht beeindruckt, und ich war viel zu sehr damit beschäftigt, mir die verschiedenen Ereignisse einzuprägen, um mir selbst irgendwelche Ausrufe erlauben zu können. Gleichwohl zuckten die hohen Herren und ich etliche Male genauso zusammen wie die Gemeinfreien, wenn es unversehens knallte.
Cortés hatte von seinen Leuten aus Treibholz und aus Trümmern der Schiffe am Strand eine kleine Hütte aufbauen lassen, soweit von uns entfernt, daß sie von dort, wo wir standen, kaum zu erkennen war. Vor uns hatte er eins von den schweren Rohren aus gelbem Metall und auf hohen Rädern aufstellen lassen …
Nein, ich will diese Dinge jetzt bei ihrem richtigen Namen nennen. Bei dem Rohr auf Rädern handelte es sich selbstverständlich um eine Messingkanone, deren Mündung auf die ferne Holzhütte gerichtet war. Zehn oder zwölf Soldaten führten auf dem festgetretenen feuchten Sand zwischen der Kanone und dem Wasser in einer Reihe Pferde heran. Die Pferde trugen einiges von jener Ausrüstung, auf welche ich mir zuvor keinen Reim hatte machen können: die Ledersitze, welche Sättel waren, auf denen man sitzen konnte, Lederriemen, um die Pferde damit zu lenken, und Schürzen aus gestepptem Material, ähnlich unseren Kampfanzügen. Hinter den Pferden standen andere Männer, welche die riesigen Jagdhunde an Lederriemen festhielten.
Alle Soldaten waren in voller Kampfkleidung angetreten und sahen mit ihren schimmernden Helmen und den blitzenden Stahlpanzern über ihren Lederwämsern außerordentlich kriegerisch aus. Sie trugen Säbel in Scheiden an ihrer Seite, doch als sie aufsaßen, wurden ihnen lange Waffen gereicht, welche unseren Speeren ähnelten, nur daß ihre stählernen Klingen nicht nur spitz zuliefen, sondern zu beiden Seiten Wölbungen aufwiesen, um die Schläge von Feinden, gegen welche sie anritten, abgleiten zu lassen.
Cortés setzte, als seine Krieger sich aufstellten, ein Lächeln auf, welches seinen ganzen Stolz auf diesen Besitz verriet.
Neben ihm standen seine beiden Dolmetsche, und Ce-Malinali lächelte gleichfalls und verriet die leicht gelangweilte Überheblichkeit dessen, der die
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