Der Azteke
berichte doch nur, wie die Dinge sich meinem ungeschulten Geist damals darstellten.
Ich hörte mir auch des Priesters Erklärung vom Heiligen Sakrament der Taufe an, und wie wir alle noch an diesem Tage seiner teilhaftig werden könnten – wiewohl es normalerweise Kindern gleich nach ihrer Geburt gespendet werde: daß man in Wasser eintauchen müsse, was einen für immer verpflichte, den Herrgott zu verehren und ihm zu dienen für alle Wohltaten, welche er dem Menschen auf Erden und in der Nachwelt schenkte. Ich vermochte nur wenig Unterschied zu den Glaubensvorstellungen und Praktiken unserer eigenen Völker zu erkennen, wiewohl sie bei diesem Eintauchen an andere Götter dachten.
Selbstverständlich versuchte der Priester in dieser einen Rede nicht, uns den Christenglauben mit all seinen Verzwicktheiten und Widersprüchen in allen Einzelheiten zu erklären. Selbst ich, der unter seinen Zuhörern an diesem Tage am besten die Worte verstand, welche auf spanisch, xiu und náhuatl gesprochen wurden – selbst ich irrte mich in manchen Dingen, von denen ich meinte, daß ich sie verstanden hätte. So glaubte ich zum Beispiel, weil der Priester so vertraut von der Jungfrau Maria sprach, und weil ich bereits die hellhäutigen, blauäugigen Standbilder von ihr gesehen hatte, daß es sich bei Unserer Lieben Frau um eine Spanierin handelte, welche bald über das Meer kommen könne, um uns in eigener Person zu besuchen und vielleicht ihren kleinen Jesusknaben mitbrachte. Desgleichen nahm ich an, der Priester spreche von einem Landsmann, als er sagte, dieser Tag sei der Tag des Heiligen Juan de Damasco, und daß wir alle geehrt werden würden, wenn wir bei der Taufe den Namen dieses Heiligen erhielten.
Damit forderten er und seine Dolmetsche alle jene auf, welche den Wunsch hatten, das Christentum anzunehmen, niederzuknien, was praktisch jeder anwesende Totonáca tat, obwohl die meisten von diesen in der Regel recht begriffsstutzigen Leuten nicht die geringste Ahnung hatten, was eigentlich geschah und möglicherweise sogar glaubten, sie würden jetzt rituell getötet werden. Nur ein paar alte Leute und kleine Kinder gingen fort. Die alten Männer – sofern sie überhaupt irgend etwas begriffen hatten – sahen vermutlich nicht den geringsten Vorteil darin, sich in ihrem hohen Alter noch mit einem weiteren Gott zu belasten. Und die Kinder kannten vermutlich angenehmere Spiele, die auf sie warteten.
Das Meer war nicht fern, doch ging der Priester nicht mit allen dorthin, um sie feierlich unterzutauchen, sondern schritt einfach durch die Reihen der knienden Totanáca hindurch, besprengte sie mit Hilfe eines kleinen Wedels, welchen er in der Hand hielt, mit Wasser und gab ihnen mit der anderen irgend etwas zu kosten. Ich sah zu, und als keiner von den Getauften tot niederfiel oder sonst irgendwelche unangenehmen Wirkungen erkennen ließ, beschloß ich zu bleiben und gleichfalls daran teilzunehmen. Offenbar schadete es nichts, und möglicherweise verschaffte es mir sogar irgendwelche dunklen Vorteile, wenn ich später mit den weißen Männern zu tun hatte. So erhielt ich denn ein paar Wassertropfen auf die Stirn und auf die Zunge ein paar Salzkörner von der Hand des Priesters – weiter war es nichts, ganz gewöhnliches Salz –, und er murmelte ein paar Worte über mir in jener Sprache, von der ich heute weiß, daß es die Sprache eurer Religion ist: Latein.
Zum Abschluß hielt der Priester noch eine kurze Ansprache in einem halb gesungenen Latein und erklärte uns, von Stund an hießen alle Männer unter uns Juan Damasceno und alle Frauen Juana Damascena; im übrigen sei die Zeremonie zu Ende. Soweit ich mich erinnern kann, war das der erste neue Name, den ich seit dem Namen Urinauge erhalten hatte, und der letzte neue Name, den ich seither bekommen habe. Ich darf wohl behaupten, daß es ein besserer Name ist als Urinauge, muß jedoch gestehen, daß ich mich in meinen eigenen Augen nur höchst selten als Juan Damasceno betrachtet, habe. Allerdings nehme ich an, daß der Name länger bestehen bleiben wird als ich selbst, denn so hat man mich in der Volkszählungsliste und anderen Dokumenten aller Regierungsstellen von Neuspanien eingetragen, wobei die letzte Eintragung zweifellos lauten wird: Juan Damasceno, gestorben.
Im Verlauf einer meiner heimlichen nächtlichen Besprechungen mit den anderen Edelleuten in dem flatternden Tuchhaus, welches man für sie errichtet hatte, sagten sie mir:
»Motecuzóma hat sich den Kopf
Weitere Kostenlose Bücher