Der Azteke
alle haben die Schätze bewundert, welche er uns als Geschenk übersandt hat, und so brennen wir jetzt darauf, die anderen Wunder zu schauen, welche in seiner Hauptstadt zu sehen sein müssen. Ich denke nicht daran abzusegeln, ehe ich und meine Mannen uns nicht am Anblick jener Stadt erlabt haben, von welcher man mir berichtet hat daß sie die reichste Stadt in diesen Landen sei.«
Nachdem dies umständlich hin- und hergedolmetscht worden war, setzte ein anderer meiner Gefährten ein bekümmertes Gesicht auf und sagte: »Ayya, daß der weiße Herr eine so lange, beschwerliche Reise unternehmen will, um hinterher nur enttäuscht zu werden! Wir wollten es nicht zugeben, aber der Verehrte Sprecher hat seine ganze Stadt geplündert und alles zusammengekratzt, um diese Geschenke herschicken zu können. Er hatte vernommen, daß die weißen Besucher das Gold besonders hoch schätzen, so schickte er alles Gold, welches er besaß. Des weiteren allen anderen Zierat von Wert. Die Stadt ist jetzt arm und leer. Es lohnt sich für die Besucher nicht, sie auch nur anzusehen.«
Als Ce-Malinali diese Rede für Aguilar in die Xiu-Sprache dolmetschte, klang das folgendermaßen: »Der Verehrte Sprecher Motecuzóma hat diese unbedeutenden Geschenke geschickt in der Hoffnung, daß der Capitán Cortés sich damit zufriedengeben und sofort abreisen werde. In Wahrheit stellen sie nur den geringsten Teil der unermeßlichen Schätze dar, welche Tenochtítlan besitzt. Motecuzóma wünscht, den Capitán davon abzuhalten, den wahren Reichtum seiner Stadt zu sehen.«
Während Aguilar das für Cortés ins Spanische dolmetschte, sprach ich zum erstenmal, und zwar leise, und nur für Ce-Malinali bestimmt, und in ihrer Muttersprache Coatlicamac, so daß nur sie und ich es verstanden:
»Deine Aufgabe ist es, zu sprechen, was gesprochen wurde, und nicht, Lügen zu erfinden.«
»Aber er hat gelogen!« entfuhr es ihr, und sie zeigte auf meinen Gefährten. Dann errötete sie, als ihr aufging, daß sie bei ihrem Doppelspiel erwischt worden war und gestanden hatte, ertappt worden zu sein.
Ich sagte: »Warum er lügt, das weiß ich. Es würde mich interessieren zu erfahren, warum du lügst.«
Sie starrte mich an, und ihre Augen weiteten sich, als sie mich erkannte. »Ihr!« hauchte sie und legte Angst, Haß und Abscheu in dieses eine Wort hinein.
Unser kurzer Wortwechsel war von den anderen nicht bemerkt worden, und Aguilar hatte mich immer noch nicht erkannt. Als Cortés wieder sprach und Ce-Malináli dolmetschte, klang ihre Stimme nur ganz wenig unsicher.
»Wir würden es dankbar aufnehmen, wenn euer Kaiser uns in aller Form aufforderte, ihn in seiner prachtvollen Stadt zu besuchen. Aber sagt ihm, meine Herren Gesandten, daß wir nicht darauf bestehen, offiziell willkommen geheißen zu werden. Wir werden dorthin kommen, ob mit oder ohne Einladung. Versichert ihm, daß wir kommen werden.«
Meine vier Gefährten begannen alle auf einmal zu protestieren, doch Cortés schnitt ihnen das Wort ab und sagte:
»Wir haben euch jetzt sorgfältig dargelegt, welcher Art unsere Mission ist, daß unser Kaiser, König Carlos, uns mit sehr genauen Anweisungen hergeschickt hat, eurem Herrscher unsere Aufwartung zu machen und ihn um die Erlaubnis zu bitten, den heiligen christlichen Glauben in diesen Landen einzuführen. Und wir haben sorgfältig das Wesen dieses Glaubens dargelegt den Herrgott, den Herrn Jesus Christus und die Jungfrau Maria, welche nichts anderes wünschen, als daß alle Völker einander in brüderlicher Liebe zugetan seien. Des weiteren haben wir uns die Mühe gemacht, euch die unbesiegbaren Waffen vorzuführen, welche wir besitzen. Ich wüßte nicht, was wir unterlassen hätten, euch klaren Wein einzuschenken. Doch ehe ihr abreist – wäre da noch etwas, was ihr wissen möchtet? Irgendwelche Fragen, die ihr beantwortet haben möchtet?«
Meine vier Gefährten machten betretene und entrüstete Mienen, sagten jedoch nichts. Deshalb räusperte ich mich und sprach zum erstenmal direkt Cortés an, und zwar in seiner eigenen Sprache. »Ich hätte eine Frage, Señor.«
Die weißen Männer machten überraschte Gesichter, als sie sich auf spanisch angesprochen hörten, und Ce-Malinali straffte sich, denn ohne Zweifel fürchtete sie, ich hätte vor, sie bloßzustellen – oder vielleicht mich zu bewerben, ihre Stelle als Dolmetsch zu übernehmen.
»Ich bin neugierig zu erfahren …« begann ich und gab mich unterwürfig und unsicher. »Könntet ihr
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