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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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als Waffen schon schreckenerregender; allein der Krach und die Rauchwölkchen und die Feuerblitze waren geeignet, jeden Feind, welcher ihnen das erstemal gegenübertrat, in Angst und Schrecken zu versetzen. Allerdings war der Schrecken nicht das einzige, was sie säten; es fuhren Metallgeschosse aus ihnen heraus, die so schnell flogen daß man sie nicht sehen konnte. Wo die kurzen Pfeile der Armbrüste, wenn sie trafen, nur in den Lehm hineinfuhren, trafen die Geschosse die Ziegel mit einer solchen Wucht, daß sie auseinanderflogen. Immerhin prägte ich mir ein, daß die Geschosse auch nicht weiter flogen als unsere Pfeile, und daß ein Mann, der eine solche Hakenbüchse oder Arkebuse benutzte, soviel Zeit benötigte, um sie neu zu laden, daß jeder von unseren Bogenschützen in dieser Zeit mühelos sieben Pfeile abschießen konnte.
    Als die Vorführung vorüber war, hatte ich noch mehr Borkenpapier vollgemalt, um es Motecuzóma zu zeigen, und ihm noch wesentlich mehr zu berichten. Eigentlich fehlte mir nur noch das gemalte Gesicht von Cortés, welches er verlangt hatte. Vor vielen Jahren, noch in Texcóco, hatte ich geschworen, nie wieder ein Porträt zu malen, da alle, die ich malte, irgendein Unglück zu befallen schien. Nur hatte ich keinerlei Bedenken, den weißen Männern irgendwelche Schwierigkeiten zu bringen. So kam es, daß am nächsten Abend, als die Mexíca-Edelleute sich zu ihrem letzten Treffen mit Cortés und seinen Unterbefehlshabern zusammensetzten, plötzlich fünf Edelleute dabei waren. Keiner von den Spaniern schien das zu bemerken oder irgend etwas dabei zu finden, daß unsere Zahl sich um einen Neuankömmling vergrößert hatte, und weder Aguilar noch Ce-Malinali erkannten mich in meinen prächtigen Gewändern, genausowenig wie sie mich erkannt hatten, als ich Träger gespielt hatte.
    Wir ließen uns nieder und speisten, aber ich möchte mich jeder Bemerkung über die Eßmanieren der weißen Männer enthalten. Das Essen war von uns gestellt worden und infolgedessen vorzüglich zubereitet. Die Spanier hatten ein Getränk beigesteuert, das sie Wein nannten und aus großen Lederbeuteln ausgeschenkt wurde. Eine Sorte war blaß und sauer, eine dunkel und süß, und ich trank nur mäßig davon, denn es war genauso berauschend wie Octli. Während meine vier Mit-Sendboten die Last des wenigen an Gespräch übernahmen, saß ich schweigend da und versuchte so unauffällig wie möglich mit Kreide auf Borkenpapier Cortés' Bildnis lebensecht wiederzugeben. Da ich ihn zum erstenmal nahe vor mir hatte, bemerkte ich, daß sein Bartwuchs wesentlich spärlicher war als der seiner Gefährten. Jedenfalls vermochte er nicht ganz eine häßlich runzelige Narbe unter seiner Unterlippe und ein Kinn zu verbergen, welches fast so fliehend war wie das eines Maya. Diese Einzelheiten hielt ich in meinem Porträt fest. Plötzlich merkte ich, daß sich Schweigen über die ganze Runde gelegt hatte, und als ich aufblickte, sah ich, daß Cortés seine grauen Augen auf mich gerichtet hatte.
    Er sagte: »Da werde ich für die Nachwelt abkonterfeit? Laßt mich sehen.« Er sagte das selbstverständlich auf spanisch, doch seine ausgestreckte Hand hätte denselben Befehl vermittelt, und so reichte ich ihm das Papier.
    »Nun, nicht gerade schmeichelhaft«, sagte er, »aber immerhin ähnlich.« Er zeigte es Alvarado und den anderen Spaniern, und einige von ihnen glucksten und nickten zustimmend. »Was den Künstler betrifft«, sagte Cortés und starrte mich immer noch an, »betrachtet mal sein Gesicht, Kameraden. Nun, wenn man ihm all die Federn ausrupfte, die er trägt, und ihm die Haut ein wenig heller puderte, könnte er für einen Hijodalgo, ja selbst für einen Granden durchgehen. Begegnet ihm am Hofe von Castilien – einem Mann von seiner Statur und mit diesem zerfurchten Gesicht –, ihr würdet eure Hüte vom Kopf reißen und einen Kratzfuß machen.« Er reichte mir das Bild zurück, und seine Dolmetsche übersetzten seine nächste Bemerkung. »Warum werde ich porträtiert?«
    Einer meiner Mit-Edelleute erklärte geistesgegenwärtig: »Da unser Verehrter Sprecher Motecuzóma unglücklicherweise nicht die Gelegenheit haben wird, Euch zu sehen, Capitán, bat er darum, daß wir ihm zur Erinnerung an Euren kurzen Aufenthalt in diesen Landen Euer Bild bringen.«
    Cortés lächelte mit den Lippen, nicht jedoch mit seinen ausdruckslosen Augen und sagte: »Aber ich werde Euren Kaiser kennenlernen. Dazu bin ich fest entschlossen. Wir

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