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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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von Kathay sein soll, aber ich habe immer gewußt, daß unsere Jadesteine nur einen rituellen Wert besaßen. Heute besitzen sie selbstverständlich nicht einmal mehr diesen; heute spielen die Kinder damit oder sie dienen ihnen als Beißsteine beim Zahnen. Damals jedoch bedeuteten sie uns noch etwas, und Zorn wallte in mir auf ob der Art und Weise, wie die weißen Männer unsere Geschenke in Empfang nahmen, alles sofort in Geldwert umrechneten, als wären wir nichts weiter als unverschämte Händler, welche versuchten, ihnen wertlosen Tand anzudrehen.
    Was jedoch noch schmerzlicher war: Wiewohl die Spanier alles bewerteten, was wir ihnen schenkten – offensichtlich verstanden sie es überhaupt nicht, ein Kunstwerk zu schätzen, denn für sie galt nur der Wert des rohen, unbearbeiteten Materials. Sie brachen alle geschnittenen Edelsteine aus ihren goldenen und silbernen Fassungen, taten die Steine beiseite in Säcke und zerbrachen und verbogen die herrlich gearbeiteten Gold- und Silberfassungen und Gerätschaften, warfen sie in große Steintiegel, entfachten Feuer unter ihnen, welche sie mit Lederbeuteln, die sie zusammendrückten, zu größter Hitzeentfaltung brachten, so daß die Metalle schmolzen. In der Zwischenzeit gruben der Edelsteinschneider und seine Gehilfen kleine Rinnen in den feuchten Sand des Strandes, in welche sie das flüssige Metall hineingossen, auf daß es wieder abkühle und hart werde. So blieb von den Schätzen, welche wir gebracht hatten – selbst von den unersetzlichen Gold- und Silberscheiben, welche Motecuzóma als Gong gedient – nichts weiter als rohe Gold- und Silberbarren, genauso gesichtslos und unschön wie Lehmziegel.
    Während ich es meinen Edelleuten überließ, sich als große Herren darzustellen, verbrachte ich die nächsten Tage damit, mich unter der Masse der gemeinen Soldaten zu bewegen. Ich zählte sie und ihre Waffen sowie ihre angepflockten Pferde und Jagdhunde und Ausrüstungsgegenstände, deren Zweck mir noch verborgen blieb: große Haufen von schweren Metallkugeln und eigentümlich gewölbte niedrige Ledersitze. Ich bemühte mich, nicht als müßiger Beobachter aufzufallen. Genauso wie die Totonáca, welche die Spanier für sich arbeiten ließen, sorgte ich dafür, daß ich immer etwas mit mir herumtrug, etwa ein Holzbrett oder einen Wassersack, daß es so aussah, als bringe ich es irgendwo hin. Da ein ständiges Kommen und Gehen von spanischen Soldaten und Totonáca-Trägern zwischen dem Lager Vera Cruz und der im Entstehen begriffenen Stadt Vera Cruz herrschte und die Spanier damals (wie übrigens auch heute noch) erklärten, sie »könnten die verdammten Indianer nicht auseinanderhalten«, blieb ich unbemerkt wie ein einzelner Halm Dünengras unter den vielen, welche auf dem Strand wuchsen. Was auch immer ich vorgab zu transportieren, es hinderte mich nicht daran, vorsichtig Gebrauch von meinem Topas zu machen, mir Notizen über die Dinge und die Menschen zu machen, welche ich zählte, und rasch Wortbild-Beschreibungen von ihnen hinzukritzeln.
    Wie sehr ich mir gewünscht habe, ein Weihrauchgefäß zu tragen statt eines Brettes oder was auch immer sonst, wenn ich unter den Spaniern war. Doch muß ich zugeben, daß sie nicht alle so abscheulich rochen, wie ich es in der Erinnerung hatte. Wiewohl sie immer noch keine Neigung verspürten, sich zu waschen oder im Dampfbad zu schwitzen, zogen sie sich – nach einem Tag harter Arbeit – immerhin bis auf ihre erschreckend bleiche Haut aus, behielten nur ihre schmutzige Unterwäsche an und wateten hinaus in die Brandung. Keiner von ihnen konnte schwimmen, vermutete ich, doch spritzten und planschten sie genug, um den Tagesschweiß von ihren Körpern zu spülen. Damit dufteten sie zwar immer noch nicht nach Blumen, zumal sie hinterher sofort wieder in ihre verkrusteten und säuerlich riechenden Überkleider schlüpften, doch zumindest sorgte dieses kurze Eintauchen ins Seewasser dafür, daß sie nicht ganz so übel rochen wie die Aasgeier.
    Ich streifte die Küste auf und ab und verbrachte die Nächte entweder im Lager von Vera Cruz oder in der Stadt Vera Cruz und hielt die Ohren genauso offen wie die Augen. Wiewohl ich selten etwas wirklich Aufschlußreiches erfuhr – die Soldaten unterhielten sich murrend über die mangelnde Körperbehaarung der »Indianer«-Frauen, verglichen mit dem angenehm behaarten Schritt und den Achseln ihrer eigenen Frauen auf der anderen Seite des Meeres –, erlangte ich doch ein besseres

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