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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Verfügung stellt, den er in der Zwischenzeit benutzen möge, und die Dienerin beauftragt, euch diesen Topf zu bringen …«
    »Ayyo, ein glänzender Einfall!« erklärte der Heilkundige und eilte davon. Fortan wurden wir auf unseren Ausflügen nicht mehr belästigt, doch habe ich nie erfahren, ob die Ärzte tatsächlich den Beweis dafür fanden, daß Cortés unter der schändlichen Krankheit litt.
    Ich muß auch berichten, daß diese ersten Spanier nicht alles und jedes in Tenochtítlan bewunderten. Einige der Dinge, welche wir ihnen zeigten, mochten sie gar nicht, ja, bedauerten sie sogar. Zum Beispiel zuckten sie heftig vor dem Schädelgerüst im Herzen Der Einen Welt zurück. Sie schienen es abstoßend zu finden, daß wir den Wunsch hatten, die Schädel von berühmten Persönlichkeiten aufzubewahren, welche auf diesem Platz den Blumentod gefunden hatten. Gleichwohl habe ich eure spanischen Geschichtenerzähler von eurem eigenen Helden als alter Zeit, El Cid, erzählen hören, dessen Tod vor seinen Feinden geheimgehalten wurde. Sein steifer Leichnam wurde so zurechtgebogen, daß er auf ein Pferd gesetzt werden konnte, und so führte er sein Heer an, die letzte Schlacht zu gewinnen. Da ihr Spanier diese Geschichte so überaus schätzt, begreife ich nicht, warum Cortés und sein Gefolge unsere Zurschaustellung der Schädel bekannter Persönlichkeiten unheimlicher fand als die Erhaltung des Cid nach seinem Tod.
    Was jedoch die weißen Männer am meisten abstieß, waren unsere Tempel mit ihren offenkundigen Beweisen für die vielen Menschenopfer aus jüngster und ältester Zeit. Um den Besuchern den besten Blick auf seine Stadt zu gewähren, nahm Motecuzóma sie mit auf den Gipfel der Großen Pyramide, welche ausgenommen während der Opferzeremonien ständig säuberlichst geschrubbt und glänzend gehalten wurde. Die Gäste stiegen die bannergesäumte Treppe hinauf und bewunderten die Schönheit und Größe des Bauwerks, die Lebhaftigkeit der Bemalung des gehämmerten Goldes an den Verzierungen, und ließen den Blick über die Stadt und den See schweifen, welcher sich immer mehr auftat, je höher sie stiegen. Die beiden Tempel oben auf der Pyramide waren von außen strahlend sauber, doch das Innere wurde nie gesäubert. Da eine Kruste von Blut gleichbedeutend war mit tiefer Verehrung, waren die Standbilder, Wände, Decken und Böden der Tempel mit einer dicken getrockneten Blutschicht bedeckt.
    Die Spanier betraten den Tlaloc-Tempel und fuhren augenblicklich zurück, taten, als müßten sie sich übergeben und verzerrten voller Abscheu das Gesicht. Es war das erste und das letzte Mal, daß ich die weißen Männer jemals vor einem Geruch zurückschrecken, ja, überhaupt zu erkennen geben sah, daß sie so etwas überhaupt wahrnahmen. Freilich muß ich ehrlich gestehen, daß die Opferstätte in der Tat schlimmer stank als sie selbst. Als sie sich wieder gefaßt hatten, sich die Bäuche hielten und die sich verkrampfenden Mägen wieder unter Kontrolle hatten, gingen Cortés und Alvarado sowie der Priester Bartolomé noch einmal hinein und gerieten außer sich vor Empörung, als sie entdeckten, daß das hohle Standbild Tlalocs bis an den Rand seines aufgerissenen quadratischen Munds mit den verwesenden Menschenherzen gefüllt war, mit welchen er gespeist worden war. Cortés war dermaßen außer sich, daß er seinen Säbel herausriß und dem Standbild einen heftigen Schlag versetzte. Dabei löste sich zwar nur ein Brocken gestockten Bluts von Tlalocs Steingesicht, doch stellte das eine Beleidigung dar, angesichts derer wiederum Motecuzóma und seine Priester vor Verblüffung den Mund aufrissen. Gleichwohl – Tlaloc reagierte keineswegs mit einem vernichtenden Blitz, und Cortés bezähmte sich wieder. Er sagte zu Motecuzóma:
    »Dieses Götzenbild ist kein Gott. Es ist etwas Böses, was wir einen Teufel nennen. Es muß gestürzt, herausgeholt und der ewigen Dunkelheit überantwortet werden. Laßt mich hier an seiner Stelle das Kreuz unseres Herrgotts und das Standbild der Heiligen Jungfrau aufstellen. Ihr werdet sehen, daß dieser Dämon es nicht wagt, etwas dagegen zu unternehmen; woran Ihr erkennen könnt, daß er minderwertig ist, daß er den Wahren Glauben fürchtet, und daß Ihr gut beraten seid, solch bösen Wesen abzuschwören und Euch unseren freundlichen Wesen zuzuwenden.«
    Motecuzóma erklärte steif, so etwas sei undenkbar. Trotzdem wanden die Spanier sich abermals, als sie den danebenstehenden Tempel des

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