Der Azteke
Schönheit und der Ordnung unserer Stadt, aber wißt ihr, was sie am meisten beeindruckte? Was ihnen die lautesten Ausrufe der Verwunderung und des Erstaunens entlockte?
Unsere Aborte.
Es lag auf der Hand, daß viele von diesen Männern weit in eurer Alten Welt herumgekommen waren, doch war es genauso offenkundig, daß sie nirgends Einrichtungen unserer Art für die körperlichen Bedürfnisse begegnet waren. Sie waren schon überwältigt, daß sie derlei Aborte in dem Palast vorfanden, den sie bewohnten; was ihnen jedoch vollends die Sprache verschlug, war, als wir sie zu einem Besuch des Marktplatzes von Tlaltelólco mitnahmen und sie dort öffentliche Aborte selbst für das gemeine Volk sahen: für die Käufer und die Verkäufer dort. Als die Spanier diese Einrichtungen zuerst entdeckten, mußte jeder einzelne von ihnen, Cortés nicht ausgenommen, erst einmal hineingehen und sich entleeren. Auch Malintzin tat das, da derlei Bequemlichkeiten in ihrer hinterwäldlerischen und unzivilisierten Heimat Coatlicamac genauso unbekannt waren wie im heiligen Rom Spaniens. Solange Cortés und sein Gefolge auf der Insel weilten, und solange es den Markt gab, waren diese öffentlichen Aborte die beliebtesten und am häufigsten aufgesuchten Attraktionen, welche Tenochtítlan überhaupt zu bieten hatte.
Während die Spanier entzückt waren von den Aborten mit der ständigen Wasserspülung, verfluchten unsere Mexíca-Ärzte diese selben Einrichtungen, war ihnen doch außerordentlich daran gelegen, eine Probe von Cortés' Exkrementen zu bekommen. Und während die Spanier sich gebärdeten wie die Kinder mit einem neuen Spielzeug, gebärdeten sich unsere Ärzte wie die Quimíchime -Mäuse, welche Cortés ständig folgten, wohin er auch ging, oder plötzlich um irgendwelche Ecken schauten. Selbstverständlich mußte Cortés diese verschiedenen älteren Herren bemerken, welche ihn überall, wo er in der Öffentlichkeit auftauchte, mit ihren Blicken verfolgten. Zuletzt erkundigte er sich sogar nach ihnen, und Motecuzóma, welcher sich insgeheim über ihre Possen lustig machte, sagte nur, es seien Ärzte, welche über Gesundheit und Wohlergehen ihres erlauchtesten Gastes wachten. Cortés zuckte nur mit den Achseln und erwähnte sie nicht mehr, wiewohl ich glaube, daß er zu der Überzeugung gelangte, unsere Ärzte müßten weit beklagenswerter krank sein als alle Patienten, um die sie sich kümmern mochten. Was die Heilkundigen taten oder vielmehr nicht taten, war der Versuch, ihre Vermutung zu beweisen, daß der weiße Mann Cortés in der Tat an der Nanáua-Krankheit leide. Sie bemühten sich, mit den Augen die verräterische Wölbung seiner Oberschenkelknochen zu messen, nahe genug heranzukommen, um festzustellen, dass er mit dem charakteristischen Geschnauf atme, oder zu erkennen, ob seine Schneidezähne die verräterischen Kerben aufwiesen.
Selbst ich empfand sie nachgerade als eine Belästigung, die uns noch dazu in Verlegenheit brachte, da sie uns auf unseren Spaziergängen ständig auflauerten oder an den unerwartetsten Stellen auftauchten. Als ich eines Tages buchstäblich nahezu über einen alten Arzt stolperte, welcher sich hingekniet hatte, um Cortés in Beinhöhe zu betrachten, nahm ich ihn wütend beiseite und erklärte: »Wenn ihr einfach nicht den Mut habt, um Erlaubnis zu bitten, den erlauchten weißen Mann zu untersuchen, könnt ihr doch bestimmt einen Vorwand finden, um seine Frau zu untersuchen, die doch nur eine von uns ist.«
»Das würde nichts nützen, Mixtzin«, erklärte der Arzt betreten. »Sie hat sich bestimmt nicht bei ihm angesteckt. Die Nanáua wird auf einen Geschlechtspartner nur in den frühen und offenkundigen Stadien übertragen. Wenn, wie wir vermuten, der Mann von einer an der Nanáua erkrankten Mutter geboren wurde, dann stellt er längst keine Gefahr mehr für irgendeine andere Frau dar, wiewohl sie ein daran erkranktes Kind empfangen könnte. Selbstverständlich möchten wir nur allzu gerne wissen, ob wir mit unserer Vermutung recht haben, doch das läßt sich so nicht beweisen. Wenn er bloß nicht so begeistert wäre von unseren Aborten, wenn wir seinen Urin nach Spuren des Chiatóztli untersuchen könnten …«
Außer mir sagte ich: »Ich finde euch überall, nur nicht gerade unter den Aborten hockend. Ich schlage vor, daß ihr hingeht und ihren Palastkämmerer anweist, den Abort des Mannes dort sperren zu lassen und ihm zu erklären, er sei verstopft, und daß er ihm einen Topf zur
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