Der Azteke
Huitzilopóchtli betraten, und nochmals, als sie die Tempel oben auf der nicht ganz so hohen Pyramide von Tlaltelólco betraten; und jedesmal machte Cortés seinem Abscheu mit immer heftigeren und immer unbeherrschteren Worten Luft.
»Die Totonáca«, sagte er, »haben ihr Land von diesen Götzenbildern gesäubert und haben Unserem Herrgott und Seiner Jungfräulichen Mutter Treue geschworen. Der ungeheuerliche Bergtempel von Cholólan ist dem Erdboden gleichgemacht worden. In diesem Augenblick unterweisen einige meiner Priester König Xicoténca und seinen Hof in den Segnungen des Christentums. Ich sage Euch, an keinem dieser Orte haben die alten Teufelsgottheiten auch nur einen Finger gerührt. Und ich schwöre Euch bei meiner Ehre, auch diese werden es nicht tun, wenn ihr sie hinauswerft.«
Motecuzóma entgegnete – und ich tat, als ich sie dolmetschte, mein möglichstes, zu vermitteln, wie eisig seine Worte waren: »Capitán-General, Ihr seid hier mein Gast, und ein Gast, welcher weiß, was sich gehört, macht sich über den Glauben seiner Gastgeber ebensowenig lustig wie über den Geschmack, welchen er in seiner Kleidung oder in seinen Frauen bekundet. Weiter noch: Wiewohl Ihr mein Gast seid, wehrt ein großer Teil meines Volkes sich, daß sie gleichfalls gastfrei Euch gegenüber sein müssen. Wenn Ihr versucht, mit ihren Göttern Schindluder zu treiben, werden die Priester laut gegen Euch wettern, und was die Religion angeht, können die Priester sogar mich überstimmen. Dann wird das Volk auf seine Priester hören, nicht auf mich, und Ihr würdet von Glück sagen können, wenn Euch und Euren Männern nichts Schlimmeres geschieht, als lebendig aus Tenochtítlan hinausgeworfen zu werden.«
Sogar der draufgängerische Cortés begriff, daß ihm scharfe Vorhaltungen gemacht wurden und wie heikel seine Lage war. Er nahm daher Abstand davon, die Sache weiter zu verfolgen, und murmelte Worte der Entschuldigung. Woraufhin auch Motecuzóma ein wenig milder gestimmt wurde und sagte:
»Gleichwohl bemühe ich mich, ein gerechter Mann und ein großzügiger Gastgeber zu sein. Ich sehe wohl ein, daß ihr Christen hier keinen Ort habt, eure eigenen Götter zu verehren, und ich habe nichts dagegen, daß ihr das tut. Ich werde Befehl geben, daß der kleine Adlertempel auf dem Großen Platz von seinen Standbildern, seinen Altarsteinen und allen Dingen, welche eine Verletzung eures Glaubens darstellen, freigemacht wird. Eure Priester können darin aufstellen, was immer sie wollen, und der Tempel sei euer Tempel, solange ihr ihn haben wollt.«
Unsere eigenen Priester waren selbstverständlich keineswegs erfreut über dieses kleine Zugeständnis an die Fremden, doch murrten sie nur leise, als die weißen Priester den kleinen Tempel übernahmen. Danach wurde er übrigens häufiger aufgesucht, als er je zuvor aufgesucht worden war. Die christlichen Priester schienen ihre Messen und andere Gottesdienste ununterbrochen von morgens bis abends abzuhalten, ob die weißen Soldaten daran teilnahmen oder nicht – weil viele von unseren eigenen Leuten von Neugier getrieben zu diesen Gottesdiensten hineinschauten. Ich sage, unsere eigenen Leute; in Wahrheit handelte es sich vornehmlich um die Gefährtinnen der weißen Männer und verbündete Krieger von anderen Volksstämmen. Doch die Priester bedienten sich Malintzins, ihre Predigten zu dolmetschen, und waren entzückt, als viele von diesen heidnischen Besuchern – immer noch von nichts anderem als von dem Neuen daran angezogen – es über sich ergehen ließen, das Salz zu essen, und sich bei der Taufe, bei der sie einen neuen Namen erhielten, mit Wasser besprengen zu lassen. Doch wie dem auch sei, daß Motecuzóma ihnen diesen Tempel zur Verfügung stellte, hielt Cortés vorläufig davon ab, energisch Hand an unsere alten Götter zu legen, wie er das an anderen Orten getan hatte.
Die Spanier waren etwas über einen Mond in Tenochtítlan, da geschah etwas, was sie für immer aus der Stadt, ja, vermutlich sogar aus der ganzen Einen Welt hätte vertreiben können. Ein Schnellbote vom Herrn Patzinca von den Totonáca traf ein und hätte er seine Meldung Motecuzóma überbracht, wie das bisher immer der Fall gewesen war, hätte das von einem Augenblick auf den anderen das Ende des Aufenthalts der weißen Männer bedeuten können. Nun überbrachte der Schnellbote seine Meldung an das Totonáca-Heer, welches sein Lager auf dem Festland aufgeschlagen hatte, und wurde von einem der Krieger in
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