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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Doch ich glaube, ich weiß, warum. Vor langer Zeit hatte man mir Motecuzóma als »hohle Trommel« beschrieben, und über die Jahre hatte ich diese Trommel laute Töne von sich geben hören, und bei den meisten dieser Gelegenheiten hatte ich gewußt, daß dieses Geräusch von Händen und Ereignissen und Umständen hervorgerufen worden war, über welche Motecuzóma keine Gewalt hatte … oder von Dingen, von denen er nur behaupten konnte, er beherrsche sie … oder welche er nur halbherzig zu beherrschen versuchte. Hätte jemals die Hoffnung bestanden, daß er eines Tages gleichsam selbst die Trommelschlegel in die Hand nehmen würde, schwand diese Hoffnung endgültig, als er die Lösung der Cuaupopóca-Angelegenheit Cortés überließ.
    Denn unser Oberster Befehlshaber der Krieger, Cuitláhuac stellte bald darauf fest, was Cuaupopóca in Wahrheit erreicht hatte – einen Vorteil, welcher die weißen Männer und alle ihre Verbündeten in unsere Hand hätte geben können – und Cuitláhuac verwendete keineswegs brüderliche Worte, als er erklärte, wie überstürzt kraftlos und schändlich Motecuzóma die einzige und beste Chance vertan habe, Die Eine Welt zu retten. Die Enthüllung seines letzten und schwerstwiegenden Fehlers preßte den letzten Rest an Willenskraft oder Herrschaftlichkeit heraus, welcher dem Verehrten Sprecher noch verblieben sein mochte. Jetzt wurde er endgültig zu einer hohlen Trommel, war nunmehr zu schlaff, um überhaupt noch ein Geräusch von sich zu geben, wenn auf ihm getrommelt wurde. Und während Motecuzóma immer mehr in Teilnahmslosigkeit und Schwäche versank, stand Cortés immer stolzer und unerschrockener da. Schließlich hatte er bewiesen, daß ihm Gewalt über Leben und Tod gegeben war, selbst innerhalb der Trutzburg der Mexíca. Er hatte seine Siedlung Vera Cruz und seinen Verbündeten Patzinca im letzten Augenblick vor dem endgültigen Untergang gerettet, nicht zu reden von sich selbst und den Männern, die sein Gefolge bildeten. Infolgedessen zögerte er nicht, an Motecuzóma das unerhörte Ansinnen zu stellen, sich seiner eigenen Entführung zu unterwerfen.
    »Ich bin kein Gefangener. Ihr könnt das sehen«, erklärte Motecuzóma, als er zum erstenmal den Staatsrat einberief und mir sowie einigen anderen Herren befahl, ihn in seinem neuen Thronsaal aufzusuchen. »Hier ist reichlich Platz für meinen gesamten Hofstaat, es sind bequeme Kammern für uns alle da, und es ist alles vorhanden, die Staatsgeschäfte von hier aus weiterzuführen – in welchen, dessen versichere ich euch, die weißen Männer keine Stimme haben. Daß ihr in diesem Augenblick hier seid, ist Beweis dafür, daß meine Berater und Priester und Boten freien Zugang zu mir und ich zu ihnen habe, ohne daß irgendwelche von diesen Fremden dabei sind. Auch werden sie sich nicht in unsere religiösen Gepflogenheiten einmischen, auch nicht in solche, welche Opfer erfordern. Kurz, unser Leben wird weitergehen, wie es das immer getan hat. Ich habe mir vom Capitán-General Garantien geben lassen, ehe ich mich mit einem Wechsel der Residenz einverstanden erklärte.«
    »Aber warum habt Ihr Euch überhaupt damit einverstanden erklärt?« fragte die Weibliche Schlange mit Zornesstimme. »Es hat sich nicht geziemt, Hoher Gebieter. Und es war nicht nötig.«
    »Nötig vielleicht nicht, aber ratsam und vorteilhaft«, sagte Motecuzóma. »Seit die weißen Männer in meinen Herrschaftsbereich eingedrungen sind, haben meine eigenen Leute oder Verbündeten zweimal versucht, einen Anschlag auf ihr Leben und ihr Eigentum zu verüben – zuerst in Cholólan, und vor noch kürzerer Zeit an der Küste. Cortés macht mir das nicht zum Vorwurf, da diese Anschläge entweder ausdrücklich entgegen oder in Unkenntnis meines Waffenstillstandsversprechens unternommen worden sind. Nur können derlei Dinge wieder vorkommen. Ich selbst habe Cortés gewarnt, daß ein großer Teil meines Volkes etwas gegen die Anwesenheit der weißen Männer hat. Jede Verschlimmerung dieses Grolls könnte unser Volk vergessen lassen, wem es Gehorsam schuldet, so daß es abermals aufbegehrt.«
    »Wenn Cortés sich wegen des Grolls Sorgen macht, der unser Volk erfüllt«, erklärte ein Angehöriger des Staatsrats, »so wäre es ihm ein leichtes, diesen zu beschwichtigen. Er kann nach Hause gehen.«
    Motecuzóma sagte: »Genau das habe ich ihm auch gesagt doch das ist selbstverständlich unmöglich. Er hat keine Möglichkeit, das zu tun, bis ihm, wie er erwartet,

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