Der Azteke
vor, daß die Heere unserer drei Völker auf der neutralen Ebene von Acatzinco, welche in sicherer Entfernung von allen unseren Ländern im Südosten liegt, gegen die Heere eurer drei Völker zum Kampf antreten. Beim Kampf soll es weder um Land noch um Herrschaft, noch um Töten gehen, und auch nicht um Plündern, sondern ausschließlich darum, Gefangene in die Hand zu bekommen, denen der Blumentod gewährt werden soll. Wenn alle am Kampf teilnehmenden Streitkräfte eine genügende Anzahl von Gefangenen gemacht haben, um sie ihren verschiedenen Göttern zum Opfer zu bringen, wird das gemeinsam allen Oberkommandierenden bekanntgegeben und der Kampf abgebrochen.«
Mit diesem Vorschlag, von dem ihr Spanier behauptet, ihr fändet ihn unglaublich, waren alle Beteiligten einverstanden – die Krieger nicht ausgenommen, die ihr »hirnverbrannt selbstmörderisch« geheißen habt, weil sie aus keinem anderen ersichtlichen Grund gegeneinander kämpften, als – was außerordentlich wahrscheinlich war – ihr eigenes Leben bald zu beenden. Nun, sagt mir, welcher von euren wohl ausgebildeten Soldaten würde einen Vorwand zum Kämpfen ungenutzt verstreichen lassen und statt dessen lieber langweiligen Friedensdienst in der Garnison machen? Unsere Krieger hatten immerhin den Ansporn zu wissen, daß sie des Dankes aller gewiß sein konnten, wenn sie im Kampf oder auf einem fremden Altar ihr Leben ließen; daß sie etwas den Göttern Wohlgefälliges taten und für sich selbst das Göttergeschenk eines Lebens in einer seligen Gegenwelt errangen. Da in diesen Harten Zeiten so viele einen unrühmlichen Hungertod starben, hatte ein Mann nur um so mehr Grund, lieber durchs Schwert oder durchs Opfermesser zu sterben.
So wurde diese erste Schlacht geplant und auch wie geplant geschlagen – wiewohl die Ebene von Acatzinco von überallher nur durch einen langen und beschwerlichen Marsch zu erreichen war, so daß alle sechs Heere sich einen oder zwei Tage ausruhen mußten, ehe das Signal zum Beginn der Feindseligkeiten gegeben werden konnte. Entgegen jeder Absicht fiel doch eine ansehnliche Zahl von Kriegern; manche unabsichtlich, durch Zufall und durch Unglücksfälle; manche auch, weil sie oder ihre Gegner allzu begeistert bei der Sache waren. Für einen Krieger, dessen Geschäft das Töten ist, ist es schwierig, sich zurückzuhalten und nicht zu töten. Aber die meisten hielten sich an die allgemeine Vereinbarung, nur mit der stumpfen Seite des Maquáhuitl zuzuschlagen und nicht mit der Obsidianschneide. Die auf diese Weise benommen gemachten Krieger wurden nicht von den Garausmachern erledigt, sondern von den Feßlern rasch gefesselt. Schon nach zwei Tagen kamen die Priester, welche ein jedes Heer begleiteten, zu dem Schluß, nun seien genug Gefangene gemacht worden, um sie und ihre Götter zufriedenzustellen. Einer nach dem anderen entrollten die sechs Oberkommandierenden die Banner, auf die man sich vorher geeinigt hatte; die Knäuel der noch miteinander Kämpfenden auf der Ebene entwirrten sich, die sechs Heere sammelten sich und marschierten müde und abgekämpft mit ihren womöglich noch müderen und abgekämpfteren Gefangenen nach Hause.
Der erste noch zaghafte Blumenkrieg fand im Hochsommer – für gewöhnlich auch der Höhepunkt der Regenzeit – statt, doch herrschte in diesen Harten Zeiten wieder eine nicht enden wollende Trockenheit. Und noch etwas war von den sechs Herrschern der sechs Völker vereinbart worden: daß sämtliche Gefangenen in ihren sechs Hauptstädten an ein und demselben Tag geopfert werden sollten. Niemand erinnert sich an die genaue Zahl, aber ich nehme an, daß an diesem Tag etliche tausend Männer in Tenochtítlan, Texcóco, Tlàcopan, Texcála, Cholólan und Huexotzinco den Tod fanden. Ihr mögt es einen Zufall nennen, ehrwürdige Patres, denn der Herrgott hatte selbstverständlich nichts mit alledem zu tun, aber an diesem Tag brachen die Wolkentonnen endlich auseinander, Regen ergoß sich über die gesamte Hochebene, und die Harten Zeiten waren vorüber.
An diesem selben Tag konnten viele Menschen in den sechs Städten sich zum erstenmal seit Jahren den Bauch vollschlagen, indem sie sich über die Überreste der geopferten Xochimique hermachten. Die Götter waren es zufrieden, nur mit den herausgerissenen Herzen gespeist zu werden, die sich auf den Altären häuften; für das, was von den Geopferten übrigblieb, hatten sie keinerlei Verwendung, wohl aber die Menschen, die sich versammelt hatten. Als
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