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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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kaum darauf angewiesen, zu dieser List Zuflucht zu nehmen, denn Motecuzòma und die Verehrten Sprecher, die ihm nachfolgten, ließen nie wieder Jahre zwischen richtigen Kriegen verstreichen. Es gab fürderhin selten Zeiten, da wir kein Heer im Felde stehen hatten, das den Bereich der uns Tributpflichtigen immer weiter ausdehnte. Doch die Acólhua und Tecpanéca, welche in dieser Hinsicht kaum irgendwelchen Ehrgeiz entwickelten, waren weiterhin auf die Blumenkriege angewiesen, um sich mit Opfern zu versorgen, die den Blumentod für die Götter starben. Und da Tenochtítlan nun einmal den Anstoß zu dieser Gepflogenheit gegeben hatte, erklärte es sich bereitwillig einverstanden, weiterhin mitzumachen; der Dreibund gegen die Texcaltéca, Mixtéca und Huéxotin.
    Für die Krieger spielte das keine Rolle. Ob Strafkrieg oder Blumenkrieg – jeder Mann hatte gleichermaßen die Chance, darin den Tod zu finden. Außerdem hatte er dadurch Gelegenheit, sich als Held hervorzutun oder in einen der Ritterorden aufgenommen zu werden, gleichgültig, ob er nun auf irgendeinem umkämpften Feld eine große Anzahl von Feinden tot zurückließ oder von der Ebene von Acatzinco eine bemerkenswerte Anzahl Gefangener lebendig mit nach Hause brachte.
    »Denn eines mußt du wissen, Umnebelt«, sagte Waffenmeister Blut Schwelger an jenem Tag, von dem ich gesprochen habe, »kein Krieger, ob in einem richtigen Krieg oder einem Blumenkrieg, sollte jemals erwarten, zu den Gefallenen oder Gefangengenommenen zu gehören. Er sollte vielmehr sein ganzes Trachten darauf richten, den Krieg zu überleben und als Held daraus hervorzugehen. Ach, ich will nicht heucheln, mein Junge. Jawohl, er kann durchaus sterben, während er noch gebannt versucht, letzterer Erwartung gerecht zu werden. Aber wenn er in die Schlacht zieht, ohne die selbstverständliche Erwartung, daß seine Seite den Sieg davontragen und er selbst Ruhm erringen wird, fällt er ganz bestimmt.«
    Ohne kleinmütig erscheinen zu wollen, versuchte ich ihm klarzumachen, daß ich keineswegs Angst vorm Sterben hätte, allerdings auch nicht besonders erpicht darauf war zu sterben. In welcher Art von Krieg auch immer, offenbar war mir nichts Höheres bestimmt, als Garausmacher oder Feßler zu werden. Und eine solche Aufgabe, so bedeutete ich ihm, könne ebensogut Frauen übertragen werden. Ob ich den Mexíca, ja, der ganzen Menschheit, keinen größeren Dienst erwiese, wenn man mir gestatte, meine anderen Gaben zum Tragen zu bringen?
    »Was für andere Gaben?« knurrte Blut Schwelger.
    Diese Frage warf mich für einen Augenblick aus dem Gleichgewicht. Dann meinte ich, wenn ich es zum Beispiel schaffte, die Kunst der Bilderschrift zu meistern, könne ich das Heer als Schlachtenbeschreiber begleiten. Dann würde ich ein wenig abseits, vielleicht auf einem alles überragenden, einen guten Überblick gewährenden Hügel sitzen und zur Erbauung späterer Oberkommandierender eine Beschreibung der in jeder Schlacht befolgten Art der Kriegführung, des taktischen Vorgehens und des Schlachtverlaufs überhaupt anfertigen.
    Erzürnt sah der alte Haudegen mich an. »Erst willst du mir weismachen, du kannst nicht weit genug sehen, um einem Gegner im Nahkampf gegenüberzutreten. Und jetzt behauptest du, du willst das ganze verworrene Kampfesgetümmel zweier aufeinanderprallender Heere überblicken! Umnebelt wenn du versuchen willst, von den Waffenübungen dieser Schule freigestellt zu werden, spare dir deine Worte, Ich könnte dich nicht einmal freistellen, wenn ich es wollte. In deinem besonderen Falle ist mir eine Verpflichtung abgenommen worden.«
    »Eine Verpflichtung?« wiederholte ich wie vor den Kopf geschlagen. »Eine Verpflichtung – von wem, Waffenmeister?«
    Er legte die Stirn in Falten, gleichsam als wäre ihm etwas herausgefahren, was er nicht hatte sagen wollen, und dann knurrte er: »Eine Verpflichtung, die ich mir selbst auferlegt habe. Ich bin der aufrichtigen Überzeugung, daß jeder Mann einmal in seinem Leben einen Krieg oder wenigstens eine Schlacht mitgemacht haben muß. Denn, wenn er mit dem Leben davonkommt, wird er den Rest seines Lebens um so mehr auskosten und dankbar dafür sein. Aber genug jetzt! Ich erwarte, daß du dich morgen um die Dämmerstunde genauso auf dem Übungsfeld einfindest wie sonst.«
    So kehrte ich denn nach Hause zurück und nahm in den Tagen und Monaten, die folgten, weiter an der Kampfausbildung und dem Unterricht teil. Zwar wußte ich immer noch nicht, was die

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