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Der Azteke

Der Azteke

Titel: Der Azteke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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empfinden.«
    »Das ist etwas, was ich seit Jahren beklage«, erklärte ich mit dem übertriebenen Ernst der Betrunkenen. »Immer sterben die falschen – die Guten und die Nützlichen, die Unschuldigen und diejenigen, welche es nicht verdienen. Die Bösen hingegen und – noch beklagenswerter – die völlig Nutzlosen, Wertlosen und Überflüssigen – sie alle trampeln weiterhin durchs Leben, weit über die Lebensspanne hinaus, welche sie verdienen. Doch das zu erkennen, braucht man kein weiser Mann zu sein. Da könnte ich genauso gut murren, weil Tlalocs Hagelsturm den nahrhaften Mais zerstört, niemals jedoch den unangenehmen Dornbusch.«
    Ich plapperte wirklich sinnloses Zeug, erging mich weitschweifig über das auf der Hand liegende, doch wenn ich das tat, so nur deshalb, weil irgendein noch nüchterner Teil von mir fieberhaft mit etwas ganz anderem beschäftigt war. Der Anschlag auf Malintzins Leben – und zweifellos ihre Absicht, mir das heimzuzahlen und zu vergelten – hatte sie bisher davon abgehalten zu bemerken, daß im Herzen Der Einen Welt irgendetwas Ungewöhnliches vor sich ging. Doch wenn sie mich rasch umbrachte und sofort dorthin zurückkehrte, würde sie es bestimmt merken, konnte sie ihre Herren immer noch rechtzeitig warnen. Abgesehen davon, daß ich nicht sonderlich darauf erpicht war, sinnlos zu sterben, wie es der unglücklichen Lorbeer ergangen war, hatte ich mich dafür verbürgt, daß Malintzin Cuitláhuac mit seinen Plänen nicht in die Quere kam. Ich mußte sie am Reden halten, oder sie sich hämisch an mir weiden lassen – oder, falls nötig, sich anzuhören, wie ich feige um mein Leben bettelte –, bis die Nacht ganz dunkel war und vom Großen Platz der Lärm des Aufstands herüberdrang. Möglich, daß dann ihre vier Wachen dorthin eilten, um nachzusehen, was los sei. Doch ob sie es taten oder nicht, jedenfalls würden sie nicht länger Befehle von Malintzin entgegennehmen. Wenn es mir nur gelang, sie festzuhalten, sie zu beschäftigen, nur noch ein kleines bißchen länger.
    »Tlalocs Hagelschauer treffen auch Schmetterlinge«, schwadronierte ich weiter, »doch niemals, glaube ich, auch nur einen einzigen Quälgeist wie eine Hausfliege.«
    Scharf erklärte sie: »Hört auf zu reden, als ob Ihr senil wäret oder ich ein Kind. Ich bin eine Frau, welche Ihr vergiften wolltet. Jetzt bin ich hier …«
    Um die erwarteten nächsten Worte von ihr zu parieren, hätte ich alles gesagt, egal was. Doch was ich sagte, war: »Ich nehme an, in meinen Augen seid Ihr immer noch ein Kind, das gerade anfängt, eine Frau zu werden … so wie ich immer noch an meine verstorbene Tochter Nochipa denke …«
    »Immerhin bin ich alt genug, daß man mich umbringen wollte«, sagte sie. »Mixtzin, wenn meine Macht so groß ist, daß Ihr sie für gefährlich haltet, solltet Ihr vielleicht einmal darüber nachdenken, ob ich nicht auch von Nutzen sein könnte. Warum es beenden, wo Ihr es zu Eurem Vorteil nutzen könntet?«
    Ich zwinkerte sie eulenhaft an, unterbrach sie jedoch nicht, um sie zu fragen, was sie meine; sollte sie doch fortfahren zu reden, solange sie wollte.
    Sie sagte: »Ihr steht in derselben Beziehung zu den Mexíca wie ich zu den weißen Männern. Wir sind beide keine offiziell anerkannten Mitglieder ihrer Ratsversammlungen und haben doch eine Stimme, auf die sie hören und auf die sie etwas geben. Wir werden uns niemals mögen, aber wir könnten einander helfen. Ihr und ich, wir wissen beide ganz genau, daß die Dinge in Der Einen Welt nie mehr so sein werden, wie sie einst waren, doch keiner von uns kann sagen, wem die Zukunft gehört. Wenn es den Mexíca gelingt, die Oberhand zu gewinnen, könntet Ihr mein starker Verbündeter sein. Obsiegen die Weißen, kann ich das gleiche für Euch sein.«
    Mit beißender Ironie und mit einem Schluckauf sagte ich: »Wollt Ihr mir vorschlagen, wir sollten beide zu Verrätern an den sich gegenüberstehenden Parteien werden, welche wir unabhängig voneinander gewählt haben? Warum tauschen wir nicht einfach unsere Kleider und wechseln die Fronten?«
    »Wisset dies! Ich brauche nur meine Wachen zu rufen, und Ihr seid ein toter Mann. Doch Ihr seid kein Niemand wie Lorbeer. Das würde den Waffenstillstand in Gefahr bringen, den unser beider Herren aufrechtzuerhalten sich bemüht haben. Hernán könnte sich sogar verpflichtet fühlen, mich zur Bestrafung auszuliefern, so wie Motecuzóma Cuaupopóca ausgeliefert hat. Zum mindesten könnte ich einiges von der

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